Mittwoch, 28. Mai 2014

Von Sonnenblumen im Betrieb

Irgendwo da bin ich. Foto: Tobias Gnüchtel
Es ist so, dass ich letztens - zusammen mit einer Menge anderer, hochkompetenter Menschen - im Katersalon eingeladen war, um herauszufinden, wie es der deutschen Gegenwartsliteratur so geht. Letztendlich haben wir nicht soviel herausgefunden, trotzdem aber lange darüber diskutiert. Tatsächlich sollten wir - wir erfuhren das am Nachmittag vorher - auch einen "Impulsvortrag" halten. Ich schrieb dann ein bisschen was im Zug, wenn man genau liest, kann man auch noch das Holpern des Zuges zwischen den Zeilen lesen. 
 Die anderen hatten in der Beziehung jedenfalls nichts bis sehr wenig dabei, und da dachte ich: Na, mit deinem Kram musst du dann hier auch nicht ankommen. Lieber ein bisschen diskutieren als vortragen. Ich hielt ihn dann nicht, liefere ihn hier aber nach. 



Die Literaturbetrieb, deshalb sind wir heute hier, hat ein Problem. Wir sind heute auch hier, weil wir nicht genau wissen, was das Problem ist. Und uns dachten, wir finden das jetzt mal raus.

Ich bin hier, weil ich tatsächlich eine Lösung habe. Ich weiß zwar auch nicht, was das Problem ist, aber ich habe eine Lösung. Ich schlage da später noch was zuvor. Kommt noch.

Es ist so, dass ich gestern nachmittag eine Email bekam, in der Frau Frohmann, Christiane, mir mitteilte, dass ich noch einen Impulsvortrag zu meiner Sicht auf die junge deutschsprachige Gegenwartsliteratur halten müsste. "Es ist gewünscht...", ich glaube, so formulierte sie das.

Es war auch so, dass ich dann gestern Abend auf unserem Balkon saß, und meiner Freundin dabei zuschaute, wie sie Sonnenblumen aus den Aufzuchttöpfchen in größere Töpfchen umtopfte. Also, die Sache ist, ich hatte schon die Tomaten umgetopft, und deshalb war es ok, dass ich nur rumsaß und rauchte und nachdachte. Ich schaue zwar immer gerne dabei zu, wenn andere Leute arbeiten, aber tatsächlich ging es in diesem Fall auch einigermaßen fair zu.

Es wird ja an der jungen deutschsprachigen Gegenwartsliteratur immer wieder gerne kritisiert, dass sie sich in einer Blase abspielt, die nur Leute interessiert, die sich auch mit junger deutscher Gegenwartsliteratur beschäftigen. Ich glaube, das stimmt nicht. Bzw. Ich glaube schon, dass das stimmt, aber es ist ja alles eine Blase, Leute die drin sind, interessieren sich dafür, Leute die draußen sind nicht. Das ist eine Nullfeststellung.

Ich möchte deshalb eine andere Metapher vorschlagen: Ich möchte die Sonnenblumenmetapher der jungen deutschsprachigen Gegenwartsliteratur vorschlagen.

Donnerstag, 15. Mai 2014

Abschiedsgespinste

Von 2003 bis - ich weiß nicht genau, die Meinungen gehen auseinander - 2010, ja, das ist möglich, studierte ich in Hildesheim Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus. Irgendwann hörte ich damit einfach auf. Aber darum geht es hier nicht. Es geht darum, dass ich in der Zeit wahrscheinlich bei niemandem mehr lernte als bei Stephan Porombka. Das war nicht immer einfach, nicht immer wenig merkwürdig, aber auf jeden Fall: Interessant. Fordernd. Neu. Diese ganzen Sachen.  Wenn ich heute in der Lage bin, sowas hier in zwei Stunden zu schreiben, dann was Stephan der erste, der der Meinung war, es sei auf jeden Fall nötig, sowas in zwei Stunden zu schreiben. Man kann ihm bei Twitter folgen, das lohnt sich. Man kann ihm bei Facebook folgen, lohnt sich auch.  Man kann von ihm lernen, wie man das beides benutzt

2013 verließ er unser kleines, beklopptes Nest und lehrt seitdem in einem noch größeren, noch bekloppteren Nest. Wir schrieben ihm ein kleines Abschiedsbuch. Es gibt nur ein Exemplar, man kann es nicht kaufen, es wurde handgedruckt und alle diese Sachen, die man mit Büchern eigentlich nicht mehr macht. 


Einer der anderen Texte daraus steht hier online


Und meiner, klar, hier drunter. 


Achso, und das mit den Ameisen, das hat seine Gründe (und noch ein paar mehr).





Ameisen quälen
Lose Notizen zu kleinen Tieren

Der Künstler als junger Mann
Bild: Stephan Porombka
Früher, an warmen Sommertagen, quälten wir Ameisen. Nicht absichtlich, hätten wir die Wahl gehabt, wir wären drinnen geblieben, und hätten, wie an jedem Nachmittag damals, Prince of Persia gespielt, aber vielleicht sollten wir raus, weil schönes Wetter war, vielleicht sollten wir auch raus, weil  Wochenende war, und der Vater den Familiencomputer brauchte. Also quälten wir Ameisen. 
Zuerst taten wir gar nichts, wir saßen nur um einen dieser kleinen Erdhügel herum, und sahen dabei zu, wie die Ameisen raus- und reinkrabbelten, mir irgendwelchen Stöckchen oder anderem Kram auf dem Rücken. 
Die nächste Stufe war, dass jemand mit dem Fuß über den kleinen Erdhügel rieb, ein kurze, konzentrierte Bewegung, die den Erdhügel platt wischte, und dann saßen wir wieder da, und beobachteten, wie Bewegung in den Laden kam. 
Wir kannten unterschiedliche Arten von Ameisen: Rote und schwarze. Wenn man nur mit dem Fuß über ihren Erdhügel wischte, unterschieden sie sich nicht groß, sie liefen panisch durcheinander wichen von den Wegen ab, die sie vorher gegangen waren, produzierten Chaos, und erst auf den zweiten Blick – wenn wir damals einen zweiten Blick warfen – erkannte man, dass sie eigentlich nichts versuchten außer die ganze Erde, die in den Bau gefallen war wieder rauszuwuchten, den Hügel wieder aufzuschichten, den einen, konzentrierten Wisch mit dem Schuh wieder auszubügeln. 
Rote und schwarze Ameisen unterschieden sich erst, wenn man weiter machte. Wenn einer von uns, beispielsweise, einen kleinen Stock nahm, und begann, damit in den Loch herumzustochern, das unter dem Erdhügel lag, und der Eingang zum Ameisenbau war. 
Schwarze Ameisen begannen bei der Stöckchenbedrohung immer entweder damit, den ganzen Bau zu evakuieren, alle liefen raus, wenn man lange genug weitermachte, sah man auch irgendwann, wie sie die weißen Ameisenlarven nach irgendwo anders trugen. Oder sie machten einfach alles dicht, zogen sich in den Bau zurück, und kamen nicht wieder raus. So oder so versuchten sie nicht, irgendetwas gegen das Stöckchen zu tun. Sie liefen nur weg. Von schwarzen Ameisen wurde selten jemand von uns gebissen. 
Wir fanden die roten Ameisen interessanter, und wir wussten, dass sie zwar kleiner waren, und seltener, dass aber ihre Bisse auf jeden Fall schmerzhafter waren. Wenn man in einem Bau mit roten Ameisen mit einem Stöckchen herumstocherte, vielleicht sogar zu abgelenkt war, um auf seine Schuhe zu achten, wurde man auf jeden Fall gebissen: Die roten Ameisen griffen auf allen Fronten an, ein paar krabbelten über das Stöckchen auf die Hand, die es hielt, die anderen krabbelten über die Schuhe, in die Hose, über die nackten Beine; zuerst kribbelten sie, dann bissen sie. 
Wir liebten es, Ameisen zu quälen. Einmal hatte ich eine in der Unterhose.