Als Dank für den Text bekam ich noch einen Abzug von der Petersilie. Bild von mir. |
Das sind so Sachen, die machen immer wieder Spaß: Ich habe eine Zeit lang viel für den kleinen Kinderbuchverlag "Autumnus" geschrieben. Diese beiden Essays, zum Beispiel. Der Verlag ist auch sehr aktiv dabei, neue Zeitschriften und Hefte aus dem Boden zu stampfen - und für eines davon sollte ich zu einem Foto einen Text schreiben. Ich weiß nicht mehr, wie die Fotografin hieß, die die Bilder gemacht hat. Ich weiß nur noch, dass sie Dinge, die sie in ihrer Küche fand auf Fotopapier legte, und dabei ganz eigenartige, aber doch schöne, abstrakte Bilder herauskamen. Ich entschied mich für eines, bei dem sie Petersilie benutzt hatte, weil es genauso aussah wie der aschengraue Himmel im Winter, der, als ich den Text schrieb, schon monatelang über der Stadt hing.
Warum ich damals Exfreundinnen googlelte, weiß ich nicht mehr. Aber ich glaube, das macht jeder mal, von Zeit zu Zeit. Und ich hoffe, das wirkt jetzt überhaupt nicht merkwürdig.
Petersilienhimmel
Ich
habe nichts zu tun, außer Exfreundinnen zu googlen. Selbst die
Petersilie in der Küche kann ich nur jeden zweiten Tag gießen, und
das ist schon zuviel für sie, sie wächst nicht, sie bleibt immer
nur klein und krüppelig. Wenn sie blüht, dann schneide ich die
Blüten ab. Seit Tagen habe ich den Himmel nicht gesehen, nur die
graue Aschesuppe über mir. Meine Ex-Freundinnen waren alle
allergisch gegen Petersilie. Die eine ist jetzt
Reiseverkehrskauffrau, die andere Friseuse. Sie bekamen rote Pickel
davon am ganzen Körper. Es wird den ganzen Tag nicht hell. Ich
google Exfreundinnen. Die Petersilie habe ich erst heute morgen
gegossen. Eine kleine Blüte landete im Biomüll. Einer dieser Tage,
die hochgradig verschwendet sind. Ich habe ein Foto gemacht von dem
Pflänzchen, von ganz nah, so dass es aussieht als sei es aus
Plastik, und er graue Himmel ist im Hintergrund. Das Küchenkraut
wuchert in die Aschesuppe hoch. Irgendwo da oben muss ja Himmel sein.
Ich schicke das Foto der Reiseverkehrskauffrau, die
Abwesenheitsmitteilung kommt sofort zurück. Sie ist im Urlaub. Wir
haben ewig gebraucht, nur, um uns an den Händen zu halten, damals.
Wir waren jung, wir hatten es nicht eilig. Wir lagen an einem kleinen
Nebenarm eines Flusses, die Hände ineinander gedrückt, und wussten
nicht weiter. Wir haben länger dafür gebraucht, unseren Mut für
einen ersten Kuss zu sammeln als uns zu trennen. Ich schicke das Foto
der Friseuse. Ihr Postfach ist voll. Ich weiß nicht mehr, was wir
gemacht haben. Es regnete, sie war nass, und zog sich um. Wir lagen
nebeneinander in einer Einzimmerwohnung mit unaufgeräumter
Kochnische, und ich fühlte mich schwarzweiß. Sie zog aus ihrer
Wohnung aus und nahm nichts mit. Ich stelle mir vor, dass die
Friseuse jetzt jeden Tag Menschen verändert.
Ich
habe angerufen. Ich habe einen Termin bei der Friseuse, sie soll mir
blonde Strähnchen machen. Sie arbeitet draußen im Industriegebiet,
wo die Supermarktfahnen im Wind gegen die Fahnenstangen klackern. Auf
dem Weg steche ich mit den Finger in den Himmel um zu sehen, ob Eiter
rausläuft, oder etwas anderes. Ich bin nicht groß genug. Ich lasse
mir keine Strähnchen machen. Ich nehme den Termin nicht wahr. An
einer Imbissbude stelle mich mich an einen Stehtisch und lasse die
lauten Gespräche der Lastwagenfahrer alles überlagern. Ich esse
eine Bratwurst, und der Kaffee wird gratis nachgeschenkt. Nach zwei
Stunden zittern meine Hände von dem Koffein. Ich gehe nach Hause,
und muss von dem ganzen Kaffee pinkeln. Ich stelle mich an eine Wand
in einer vollgesprayten Unterführung.
Ich
googele Exfreundinnen. Sie verändern sich nicht. Es sind nur diese
zwei. An die Nachnamen der anderen kann ich mich nicht mehr erinnern.
Ich bearbeite das Foto. Es wird schwarzweiß, und ich drehe den
Kontrast hoch. Das alte lösche ich. Der Hintergrund sieht aus wie
die graue Aschesuppe, die mir jetzt schon fast ins Fenster kriecht.
Ich schicke das Foto der Reiseverkehrskauffrau. Sie ist immer noch im
Urlaub. Ich schicke das Foto an mich selbst, um zu sehen, ob es sich
verändert. Es dauert eine Weile, bis ich darauf komme, das Foto
entwickeln zu lassen, und noch länger, bis ich mich aufraffe, und
mich durch die Fußgängerzone zwischen den Menschen entlang zum
Fotoladen schlängele. Ich bestellte 50 Stück davon, in einer halben
Stunde sollen sie fertig sein. Die Fußgängerzone ist genau eine
Viertelstunde lang. Ich gehe sie einmal hoch und runter, und hole
meine Fotos ab.
Die
Reiseverkehrskauffrau hat nicht zurückgeschrieben.Der Friseur hat
nicht zurückgerufen, obwohl ich den Termin verpasst habe. Ich nehme
die Fotos heraus, eines nach dem anderen, und pflastere die Decke
damit zu. Ich versuche mich zu erinnern, wann die die Petersilie das
letzte Mal gegossen habe. Ich versuche mich zu erinnern, ob die
Exfreundinnen tatsächlich allergisch waren, ober ob ich das nur
glaube. Ich lege mich in meinem Zimmer auf den Rücken. Es sieht
genau aus wie der Himmel draußen. Nur manchmal sehe ich, dass Wolken
aufreißen, aber das Grau dahinter kenne ich auch.
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