Dienstag, 2. April 2013

Ein Topf mit persischem Kitsch


Es gibt nicht viel zu sagen zu dieser Rezension, nichts besonderes, nichts großartig neues, einfach nur eine Rezension für die Kollegen drüben bei der GEE zu einem netten, kleinen Spiel namens "The Cat and the Coup", dem wahrscheinlich einzigen Spiel, bei dem ich tatsächlich etwas gelernt habe, was ich in der Schule auch gerne gelernt hätte.



The Cat and the Coup

Das Indie-Game „The Cat and the Coup“ will seinen Spielern unbedingt etwas beibringen.
Böses Kätzchen. Bild von hier.
Das Zauberhafte daran ist, dass das nicht nach hinten losgeht.

System: PC, Mac
Entwickler: Peter Brinson, Kurosh ValaNejad
Publisher: Peter Brinson, Kurosh ValaNejad
USK: Nicht geprüft
Preis: Kostenlos / Spende

Stopp. Wir werden kurz mal ein bisschen ernsthafter. Aber erst mal müssen wir erst mal Worte finden für dieses eigenartige Game namens „The Cat and the Coup.“ Point and Click, vielleicht, nur, dass man es nicht mit der Maus spielt. Jump and Run, nur dass man selten springen oder rennen muss, sondern eher durch die Geschichte stolpert. Am ehesten könnte man es noch Geschichtsvermittlungsgame nennen, aber so was fassen wir normalerweise ja nicht mal mit der Kneifzange an.


In „The Cat and the Coup“ geht es – ja, tatsächlich - um den auch heute noch umstrittenen iranischen Premierminister Mohammad Mossadegh. Die einen feiern ihn als ersten demokratisch gewählten Premierminister des Iran, die anderen weisen darauf hin, dass er seine Amtszeit größtenteils damit verbrachte, per Dekret das iranische Parlament zu entmachten. „The Cat and the Coup“ hat dazu allerdings nichts zu sagen, es lässt seinen Spieler nur beobachten, wie Mossadegh zwischen 1951 und 1962 durch die letzten Jahre seiner Regierungszeit stolpert, aus seinem Amt geputscht wird und schließlich stirbt. „The Cat and the Coup“ behauptet der CIA stecke hinter dem Putsch. Offenbar ging es dabei um Öl und die Annäherung des Iran an die Sowjetunion, was genau passierte, ist bis heute ungeklärt, die entsprechenden Akten der „Operation Ajax“ sind unter Verschluss.
Aber das sind alles nur Fakten, die als Text immer mal nebenbei über den Bildschirm scrollen. Das Spiel geht anders. Der Spieler kontrolliert Mossadeghs Katze und muss Tintenfässer umwerfen, die eigentlich dazu gedacht waren, Erlasse zu unterschreiben oder Mossadegh kratzen, um so Verhandlungen mit Großbritannien über die Nationalisierung der iranischen Ölfelder zu sabotieren. „Wir wollten ein Spiel machen“ sagt Peter Brinson, einer der Entwickler, „das nicht wie die anderen ist, nicht nur, weil der Einfluss der CIA auf die Politik in Games sehr selten beachtet wird. Das Ziel des Spiels ist es, dass die Spieler sich mehr Fragen über den Iran stellen.“

Monthy Python und ein Topf mit persischem Kitsch

Das klingt erstmal nach einem etwas lahmen Versuch, Games zur politischen Bildung zu instrumentalisieren. So was geht erfahrungsgemäß gerne schief, das hat die bayerische Staatsregierung gerade wieder eindrucksvoll mit dem Browsergame „Aufbruch Bayern“ bewiesen.
„The Cat and the Coup“ ist dann aber einer riesige Überraschung. Das Spiel sieht gut aus, ein bisschen, als seien Monthy Python in einen Topf mit persischem Kitsch gefallen, die ganze Spielwelt steckt voller surrealer und symbolisch aufgeladener Collagen. Dazu gibt es minmalistische, leicht elektrisch angehauchte Klaviermusik, die man sich an einem dunklen Winterabend auch mal so anhören könnte. Und wenn man als Katze Mossadegh kratzt, damit er von seinem Stuhl fällt, so lange, bis der britische Gesandte keine Lust mehr hat, sich über Ölfelder zu unterhalten, dann ist das tatsächlich lustig. Tatsächlich. Die iranische Innenpolitik der späten 50er Jahre macht plötzlich Spaß.

Alles ist ein Rätsel

„Ich glaube“, sagt Brinson, „dass für dokumentarische Spiele ein großes Potential darin liegt, dass es nicht um ein bestimmtes Thema geht, sondern um die Beziehung, die der Spieler zu diesem Thema aufbaut. Kunst ist besser darin, Fragen zu stellen als Antworten zu geben.“ Anders gesagt: Alles an „The Cat and the Coup“ ist ein Rätsel, und der Spieler muss es ganz alleine lösen. Die Geschichte wird einem nicht mit dem ganz großen Vorschlaghammer in den Schädel geprügelt. „The Cat and the Coup“ gibt einem gerade genug Fakten mit auf den Weg, dass man nicht völlig verloren ist. Und lässt einen dann völlig allein in dieser persischen Monthy-Python-Welt mit ihrem symbolisch aufgeladenen Bildern, mit der getragenen Klaviermusik, damit, wie Mossadegh orientierungslos durch eine wirre und labyrinthische Welt stolpert. Vielleicht ist das Genre von „The Cat and the Coup“ gerade deswegen auch gar kein Game-Genre, sondern eher eine Art von Gedicht, ein verdichtetes und – ja, warum nicht? – poetisches Rätsel, das nur zufällig aussieht wie ein Game, ein Rätsel, das weit über die Frage hinausgeht, wo genau das unartige Kätzchen vom Kronleuchter springen muss, um die Weltpolitik durcheinanderzubringen. Die Fragen, die sich danach aufdrängen klingen eher so: Warum könnte der CIA Gründe gehabt haben, Mossadegh zu entmachten? Warum sind die Verhandlungen mit dem britischen Gesandten gescheitert? Hatte der Mann wirklich eine Katze? „The Cat and the Coup“ gibt keine Antworten darauf, es lässt einem kaum eine andere Wahl, als tief zu schlucken, und danach weltpolitischen Verästelungen hinterherzugooglen.
Kurz gesagt: Brinson und sein Entwicklerkollege Kurosh ValaNejad sind da eine Form vom Bildungsspiel entwickelt, bei der man nicht sofort brechen muss. Noch kürzer gesagt: Wenn schon ein ernsthaftes Spiel, dann bitte so.

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