Es gibt nicht viel zu sagen zu dieser Rezension, nichts besonderes, nichts großartig neues, einfach nur eine Rezension für die Kollegen drüben bei der GEE zu einem netten, kleinen Spiel namens "The Cat and the Coup", dem wahrscheinlich einzigen Spiel, bei dem ich tatsächlich etwas gelernt habe, was ich in der Schule auch gerne gelernt hätte.
The
Cat and the Coup
Das
Indie-Game „The Cat and the Coup“ will seinen Spielern unbedingt
etwas beibringen.
Das Zauberhafte daran ist, dass das nicht nach
hinten losgeht.
Böses Kätzchen. Bild von hier. |
System: PC,
Mac
Entwickler:
Peter Brinson, Kurosh
ValaNejad
Publisher:
Peter Brinson, Kurosh
ValaNejad
USK:
Nicht geprüft
Preis:
Kostenlos / Spende
Stopp. Wir
werden kurz mal ein bisschen ernsthafter. Aber erst mal müssen wir
erst mal Worte finden für dieses eigenartige Game namens „The Cat
and the Coup.“ Point and Click, vielleicht, nur, dass man es nicht
mit der Maus spielt. Jump and Run, nur dass man selten springen oder
rennen muss, sondern eher durch die Geschichte stolpert. Am ehesten
könnte man es noch Geschichtsvermittlungsgame nennen, aber so was
fassen wir normalerweise ja nicht mal mit der Kneifzange an.
In
„The Cat and the Coup“ geht es – ja, tatsächlich - um den auch
heute noch umstrittenen iranischen Premierminister Mohammad
Mossadegh. Die einen feiern ihn als ersten demokratisch gewählten
Premierminister des Iran, die anderen weisen darauf hin, dass er
seine Amtszeit größtenteils damit verbrachte, per Dekret das
iranische Parlament zu entmachten. „The Cat and the Coup“ hat
dazu allerdings nichts zu sagen, es lässt seinen Spieler nur
beobachten,
wie Mossadegh
zwischen 1951 und 1962 durch die letzten Jahre seiner Regierungszeit
stolpert, aus seinem Amt geputscht wird und schließlich stirbt. „The
Cat and the Coup“ behauptet der CIA stecke hinter dem Putsch.
Offenbar ging es dabei um Öl und die Annäherung des Iran an die
Sowjetunion, was genau passierte, ist bis heute ungeklärt, die
entsprechenden Akten der „Operation Ajax“ sind unter Verschluss.
Aber
das sind alles nur Fakten, die als Text immer mal nebenbei über den
Bildschirm scrollen. Das Spiel geht anders. Der Spieler kontrolliert
Mossadeghs Katze und muss Tintenfässer umwerfen, die eigentlich dazu
gedacht waren, Erlasse zu unterschreiben oder Mossadegh kratzen, um
so Verhandlungen mit Großbritannien über die Nationalisierung der
iranischen Ölfelder zu sabotieren. „Wir wollten ein Spiel machen“
sagt Peter Brinson, einer der Entwickler, „das nicht wie die
anderen ist, nicht nur, weil der Einfluss der CIA auf die Politik in
Games sehr selten beachtet wird. Das Ziel des Spiels ist es, dass die
Spieler sich mehr Fragen über den Iran stellen.“
Monthy
Python und ein Topf mit persischem Kitsch
Das
klingt erstmal nach einem etwas lahmen Versuch, Games zur
politischen Bildung zu instrumentalisieren. So was geht
erfahrungsgemäß gerne schief, das hat die bayerische
Staatsregierung gerade wieder eindrucksvoll mit dem Browsergame
„Aufbruch Bayern“ bewiesen.
„The
Cat and the Coup“ ist dann aber einer riesige Überraschung. Das
Spiel sieht gut aus, ein bisschen, als seien Monthy Python in einen
Topf mit persischem Kitsch gefallen, die ganze Spielwelt steckt
voller surrealer und symbolisch aufgeladener Collagen. Dazu gibt es
minmalistische, leicht elektrisch angehauchte Klaviermusik, die man
sich an einem dunklen Winterabend auch mal so anhören könnte. Und
wenn man als Katze Mossadegh kratzt, damit er von seinem Stuhl fällt,
so lange, bis der britische Gesandte keine Lust mehr hat, sich über
Ölfelder zu unterhalten, dann ist das tatsächlich lustig.
Tatsächlich. Die iranische Innenpolitik der späten 50er Jahre macht
plötzlich Spaß.
Alles
ist ein Rätsel
„Ich
glaube“, sagt Brinson, „dass für dokumentarische Spiele ein
großes Potential darin liegt, dass es nicht um ein bestimmtes Thema
geht, sondern um die Beziehung, die der Spieler zu diesem Thema
aufbaut. Kunst ist besser darin, Fragen zu stellen als Antworten zu
geben.“ Anders
gesagt: Alles an „The Cat and the Coup“ ist ein Rätsel, und der
Spieler muss es ganz alleine lösen. Die Geschichte wird einem nicht
mit dem ganz großen Vorschlaghammer in den Schädel geprügelt. „The
Cat and the Coup“ gibt einem gerade genug Fakten mit auf den Weg,
dass man nicht völlig verloren ist. Und lässt einen dann völlig
allein in dieser persischen Monthy-Python-Welt mit
ihrem symbolisch aufgeladenen Bildern, mit der getragenen
Klaviermusik, damit, wie Mossadegh orientierungslos durch eine wirre
und labyrinthische Welt stolpert. Vielleicht ist das Genre von „The
Cat and the Coup“ gerade deswegen auch gar kein Game-Genre, sondern
eher eine Art von Gedicht, ein verdichtetes und – ja, warum nicht?
– poetisches Rätsel, das nur zufällig aussieht wie ein Game, ein
Rätsel, das weit über die Frage hinausgeht, wo genau das unartige
Kätzchen vom Kronleuchter springen muss, um die Weltpolitik
durcheinanderzubringen. Die Fragen, die sich danach aufdrängen
klingen eher so: Warum könnte der CIA Gründe gehabt haben,
Mossadegh zu entmachten? Warum sind die Verhandlungen mit dem
britischen Gesandten gescheitert? Hatte der Mann wirklich eine Katze?
„The Cat and the Coup“ gibt keine Antworten darauf, es lässt
einem kaum eine andere Wahl, als tief zu schlucken, und danach
weltpolitischen Verästelungen hinterherzugooglen.
Kurz
gesagt: Brinson und sein Entwicklerkollege Kurosh
ValaNejad
sind da eine Form vom Bildungsspiel entwickelt, bei der man nicht
sofort brechen muss. Noch kürzer gesagt: Wenn schon ein ernsthaftes
Spiel, dann bitte so.
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