Freitag, 21. Juni 2013

4 Wochen Probeabo - Teil I: Verwirrung

Seit Jahren habe ich keine Print-Zeitung mehr gelesen. Jetzt habe ich mir ein kostenloses Probeabo bestellt. Eine Erkundung.



Der Brief. Mit original fotokopierter Unterschrift.

Jetzt ist es soweit. Ich habe eine Kundennummer. An diesem Tag, dem Tag nach dem großen Gewitter, öffne ich den Briefkasten, und hole eine enthusiastisch formulierten, mit vielen Ausrufezeichen garnierten Brief heraus. 

Herzlich Willkommen!, steht da, Sie sind auf der Suche nach einer Zeitung, die Ihnen ein anspruchsvolles Lesevernügen bietet? Dann lernen Sie Deutschlands rennomierteste Wochenzeitung kennen: Vom 27.6. an lesen Sie DIE ZEIT 6 Wochen lang zur Probe, und das gratis!
[fett im Original] 


Das geht ja gut los. Ich hatte dieses Angebot bestellt, und, wenn ich richtig lesen kann, dann steht da was von vier Wochen. Warum sind es jetzt sechs? Nun ja. Ich will mich nicht beschweren, ich will nicht überkritisch sein, sechs Wochen statt vier, warum nicht. Ich habe ja eine Kundenummer. Und Telefonnummern. Und Mailadressen. 

Lieber ZEIT-Aboservice, schreibe ich,  
Heute habe ich ihren Brief mit der Bestätigung meines kostenlosen Probeabos bekommen. Vielen Dank dafür. 
Nun hatte ich aber ein Angebot bestellt, in dem steht, dass es DIE ZEIT für vier Wochen kostenlos gibt - in Ihrem Bestätigungsbrief schreiben Sie, dass es sechs Wochen sind.
Ich will mich nicht beschweren, sechs statt vier Wochen, das ist ganz wunderbar. Trotzdem bin ich etwas verwirrt. Sind es nun vier oder sechs kostenlose Wochen? Vielleicht können Sie mir da weiterhelfen. 
Meine Kundennummer ist: XXX XXX XXXX
Viele Grüße,
Jan Fischer 


Warum mache ich das? Zugegeben, wenn ich sage, dass ich seit Jahren keine Print-Zeitung mehr gelesen habe, ist das gelogen - allerdings nur ein bisschen.
Ich hatte, das ist schon eine Weile her, einmal ein Abo der Süddeutschen Zeitung, und ich habe versucht, sie täglich zu lesen. Ich nahm sie jeden Tag mit, stopfte sie in meine studentische Umhängetasche, las morgens im Bus teilweise das Feuilleton, den Rest dann vor dem ersten Seminar, und in den Seminarpausen dann den Rest, soweit ich eben kam. 
Ich nahm den ganzen Berg von auseinandergefaltetem und totgelesenem Papier wieder mit nach Hause, schmiss es ins Altpapier, und in der WG diskutierten wir dann darüber, wer den Haufen entsorgen musste. 
Zu Beginn des Studiums wurde uns auch nahegelegt, ein Journal zu führen, also Artikel auszuschneiden in in ein Heftchen zu kleben, oder sonstwie zu archivieren. Das tat ich aber nur so lange, bis ich einen Schein dafür bekommen hatte. 
Sowieso: Das war, bevor jemand alle fünf Minuten den Tod der Printmedien prophezeite und sich Auswege schön redete.

Das Süddeutsche-Abo kündigte ich irgendwann, weil es nicht mehr schaffte, die Zeitung täglich durchzulesen, und es mir deshalb sinnlos vorkam, sie jeden Tag im Haus zu haben. Selbstverständlich lese ich seitdem noch Zeitungen - hin und wieder, wenn zufällig mal eine im Café ausliegt, oder bei Freunden in der Wohnung, und ich nichts besseres zu tun habe. Gekauft habe ich mir seitdem, meine ich, keine, und wenn doch, kann man das sicherlich an einem Finger abzählen.  

Nicht, dass ich seitdem weniger lese - im Gegenteil. Ich lese sehr viel mehr aktuelle Nachrichten, Kulturnotizen, wie auch immer man sie nennen möchte. Ich lasse mir Texte von Facebook und Twitter empfehlen, ich suche aktiv danach, ich verfolge Links, ich lese täglich mit Sicherheit mehr Material, als in eine Tageszeitung passt. Das ist ja die alte Geschichte: Wenn der Print stirbt, stirbt er nicht, weil die Leute das Zeug nicht mehr lesen wollen. Sondern weil sie es günstiger, praktischer und schneller im Netz bekommen können. Mit Qualitätsschwankungen und hin und wieder auch Falschinformationen, aber welches Print-Medium hat denn schon nur sauber recherchierte und gut geschriebene Knallertexte? Tatsächlich fiele mir auf Anhieb kein Argument für die Printpresse ein, gegen das man nicht argumentieren könnte. Keine Funktion, die exklusiv auf die Printpresse beschränkt wäre. 

Ich bin kein Radikaler. Ich bin nicht der Meinung, dass Printprodukte unnötig wären - ich glaube nur, dass sie, was aktuelles angeht, kaum mithalten können. Dass sie sich vielleicht verkleinern müssen, auf gute Autoren setzen, und Texte drucken, die so vielleicht nicht im Internet möglich wären. Lange, ausdauernde, gut recherchierte Erzählformen, beispielsweise, lassen sich, finde ich, nicht so gut am Bildschirm lesen, und das ist auch, was ich im Internet immer wieder vermisse - die Langstreckenreportage, der Text, der Zeit braucht, in der Produktion, und beim Lesen. Leider gibt es sowas auch viel zu selten gedruckt. 
Aber ich bin auch kein Prophet, und ich habe keine Lösungen - ich weiß nur, dass ich, obwohl ich mich beruflich mit Journalismus und journalistischen Inhalten beschäftige, mich Printpresse immer weniger zum Lesen reizt. Ich finde das ein bisschen schade - vielleicht bin ich aber auch ein Nostalgiker. Ich habe auch viele Schallplatten.   

Die Zeit hat nicht nur dieses kostenlose Probeabo angeboten -der Anlass war wieder irgendein neuer Rekord, dieses Mal 150.000 Facebook-Fans -, sondern meldet auch immer wieder steigende Verkaufszahlen, meines Wissens nach ist das die einzige Zeitung, die das von sich sagen kann. Irgendetwas ist da also etwas dran, was auch immer es ist. Die Leute kaufen sie.  Das ist der eine Grund, weshalb ich diese Zeitung gewählt habe. Der andere ist, dass Tageszeitungen mich nerven - ich habe keine Lust, mich da jeden Tag durchzuwühlen. Ich verteile meine Lesearbeit lieber auf die Woche. 

Also, liebe Zeit. Bring it on. Ich bin bereit für meine Rückkehr in die Printwelt. 


Übrigens, der Fairness halber: Ich schreibe hin und wieder für die Zeit-Familie. Aber auch für alles mögliche andere. Ich will hier keine Werbung machen, und gebe mir Mühe, das zu lassen. Jeglicher  auftretende Enthusiasmus ist echt. Jegliche Bösartigkeiten auch. 


[EDIT: Es sind sechs Wochen. Ich weiß nicht, warum. Aber der Kundensupport sagt das so. Ich behalte den Titel für die Serie aber bei.]

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