Das Buch, früher. |
Demnächst erscheint eine runderneuerte Variante des alten Konzepts in der Edition Büchergilde. Bessere Autoren, bessere Herausgeber, ein richtiger Verlag, alle diese Sachen. Ich freue mich auch, dabei mitgemacht zu haben.
Aber mein Herz wird immer an dieser alten, holprigen Version hängen, die wir uns in den langen, ersten Studiennächten ausgedacht haben. Deshalb hier: Meine zwei Texte daraus. Über He-Man und She-Ra, und über Knight Rider.
He-Man
und She-Ra
"The Man" Illustration: Robin Thiesmeyer |
Prince
Adam war ein ziemlicher Versager. Nicht nur, dass er mit einem
(selbst für die 80er indiskutabel) hässlichen Pottschnitt
herumlief, der darauf schließen ließ, dass es keinen anständigen
Frisör auf Eternia gab. Auchw ar Princa Adam, im Vergleich zu seinem
alter Ego, He-Man, etwas schwächlich geraten. Und der einzige auf
ganz Eternia, der einem noch hilfloser vorkam als er, war seine
leicht debile Katze Cringer.
Es
scheint, als wäre Prince Adam einzig und allein dem Hirn
irgendwelcher Marketingexperten entsprungen, die beseelt waren von
dem Gedanken wirklich jedem Versager noch eine Identifikationsfirgur
anzubieten. Und obwohl 15 Dollar damals eine unverschämte Menge Geld
war, und noch niemand auf die Idee gekommen war, den Versager
wenigstens zu einer Art coolem Versager zu machen, verkaufte sich
selbst die Actionfigur von Prince Adam gut – wie überhaupt
sämtliche Bewohner Eternias, egal, wie nutzlos sie waren. Sogar
Orko, das fliegende Hemd.
Wir
liefen damals durch die Straßen, befreundeten uns mit den paar
Priviligierten, denen die Eltern die Actionfiguren gekauft hatten,
benutzen ansonsten diverse Gegenstände als Zauberschwert, riefen „I
have the Power“, oder die etwas unglückliche deutsche Übersetzung
„Ich habe die (Zauber-)Kraft“. Das waren die Worte, mit denen
sich Prince Adam in He-Man, den „mächtigsten Mann des Universums“
(He-Man über He-Man) und Cringer in „The Mighty Battlecat“
verwandeln konnte.
Eine
wunderbare neue Zielgruppe erschloss isch den Machern von He-Man, als
sie She-Ra und ihre „normale“ Identität“ Adora erfanden. Sie
war He-Mans Zwillingsschwester, lebte in einer Art Paralleldimension
auf dem Planeten Etheria in einer golden glitzernden, den ganzen Wald
überragenden, ansonsten aber streng geheimen Rebellenfestung. Sie
hatte alles, wovon man so glaubte, dass Mädchen es gut fänden. Ein
süßes, weißes Pferd, beispielsweise, das sich in ein noch viel
süßeres weißes Einhorn mit goldenem Horn und bunten Flügeln
verwandeln konnte. Etherias Rebellen waren komplett weiblich besetzt,
mit Ausnahme von Bow, eines eher geschlechtslosen Bogenschützen mit
Strumpfhosen aus der reichen Tradition der Errol Flynns dieser Welt.
Die
beiden schizoiden „Zwillinge der Macht“ (insgesamt also vier
Actionfiguren) lernten sich in fünf legendären Crossover-Folgen
kennen, die später zu einem 90minütingen Kinofilm wurden. Darin
gelangte He-Man durch eine Art Spiegel in She-Ras Paralleldimension.
Später trafen sie sich noch in der Folge „Weihnachten auf Eternia“
wieder. Ansonsten kämpften sie getrennt voneinander gegen Skeletor
bzw. Hordak. Skeletor war ein Meister des Bösen. Hordak war eine Art
Roboter, mit seiner „Horde“ Ehteria besetzt hielt, und sich in
Kampfjets und Eisenbahnen verwandeln konnte.
Über
den pädagogischen Nutzen der ganzen Geschichte wurde eher wenig
diskutiert: Es gab keinen. Zwar wurde am Ende jeder Folge versucht,
eine Moral zu präsentieren („Liebe Kinder, heute habt ihr gesehen,
was passiert, wenn man seine Freunde verrät: Sie werden von Skeletor
entführt und gefoltert“). Im wirklichen Leben half das allerdings
keinem wirklich weiter.
Die
strikte Unverwendbarkeit für das eigene Leben war allerdings ebenso
teil der Faszination wie das Verbot oder wenigstens die Missgunst
pazifistischer Eltern, die nicht mit genügend Phantasie ausgestattet
waren, um zu begreifen, was den den Zwillingen der Macht mit ihren
klischierten Geschlechterrollen und schwarz-weiß-gezeichneten Welten
so toll sein sollte.
Natürlich
waren die Figuren hässlich. Natürlich war der Zweck der Serie als
Actionfigurvermarktungsmaschine eindeutig. Aber das alles war auch
eine Gelegenheit, von der komplexen Arbeit des Kindseins wegzukommen.
Statt am Band der eigenen Entwicklung zu stehen und monoton die
Bausteine des Wissens zu montieren, konnte man für 23 Minuten in
eine fernsehgläserne Welt eintauchen, in der tatsächlich niemand
seine Freunde verriet. Und wenn es doch jemand tat, dann wurde er
eben von Skeletor gefoltert. Es war eine Welt, in der es genau zwei
Standpunkte gab, und nichts dazwischen. Man wusste immer genau, was
zu tun war. Klar ist das eskapistisch. Aber wer das sagt, ist doof.
Ätsch.
Knight
Rider
Brusthaar, Auto, alles da. Illustration: Robin Thiesmeyer |
Einmal,
wirklich einmal nur, habe ich in einem Anfall bösartiger
Kindheitsnostalgie Team Knight Rider, die Nachfolgeserie zu Knight
Rider angesehen. Im Vorspann sagte eine Stimme aus dem Off: „Früher
genügten ein Mann und sein Auto, um Recht und Gesetz in die Welt zu
bringen. Heute genügt das nicht mehr.“ Oder so ähnlich. Statt,
wie im Vorspann des guten, alten Knight Rider, fuhr nicht der 82er
TransAm, besser bekannt als K.I.T.T. durch den heißen Wüstensand
Nevadas – es waren zwei Motorräder, ein Minivan, zwei schnittige
Sportwagen, und über den ganzen Fuhrpark brauste zur Krönung noch
eine 747 hinweg.
Was
war nur aus der Welt geworden? Michael Knight konnte früher so
ziemlich alles, und was er nicht konnte, konnte K.I.T.T. Ich musste
viel und hart mit meinen Eltern kämpfen, um mit Knight Rider ansehen
zu dürfen. Wenn ich es denn geschafft hatte, sie irgendwie zu
überzeugen, durfte ich den Fernseher einschalten. Ich durfte Michael
Knight bewundern, wie er jeden Fall löste, jeden Kampf mit Witz und
Charme gewann und am Ende alle möglichen Frauen mit Föhnwelle
küsste. Das war etwas anderes als diese der Pferdekichermädchen in
meiner Klasse, die ich nie so wirklich verstand. Frauen mit Föhnwelle
– das sah nach Spaß aus.
Aber
für Michael Knight war das nebensächlich. Wichtig war, dass er so
ziemlich jeden Tag mit offenem Hemd, hervorquellendem Brusthaar und
im Auftrag der „Knight Foundation für Recht und Verfassung“ die
zivilisierte Welt rette, vor Schlägern, korrupten Senatoren und
Richtern, vor Slumbanden, Industriespionen und nicht zuletzt vor
zahlreichen bösen Klonen von K.I.T.T., allen voran dem wirklich
ultrabösen K.A.R.R., der sogar zweimal zerstört werden musste, bis
er endlich nicht mehr auftauchte.
Ich
sollte auch so einen K.I.T.T. Jeder Junge wollte einen. Er hatte rote
Leuchten an der Motorhaube, die immer – wooosch! Wooosch! - hin-
und her flackerten. Er hatte einen Turbo Boost, mit dem er kurzzeitig
fliegen konnte. Außerdem hatte er einen Pursuit Mode, mit dem er 300
Meilen pro Stunde fahren konnte, und den eher lahmen Silent Mode.
Wenn Michael Knight in der Klemme saß, holte K.I.T.T. ihn immer
wieder raus, dank seiner Emergency Chematic Blueprint, einem
Notfallplan für alle Fälle. Außerdem war das Auto eitel, in einer
Folge waren Michael und sein Auto inkognito unterwegs, aber K.I.T.T.
weigerte sich beharrlich gegen Sternchenaufkleber am Kotflügel,
immer in dieser charmanten, ruhigen und sarkastischen Stimme.
Irgendwann
bin ich dazu übergegangen, mit meinem damals besten Freund alle
Folgen auf Kassette zu kaufen, und im heimischen Garten
nachzuspielen, wobei wir uns in der Rolle des Michael Knight
abwechselten, und ein ausrangierter Trabbi im Garten als K.I.T.T.
herhalten musste. Das war unsere Art, diese endlosen
Sommerferienabende zu verbringen.
Zugegeben,
die Welt hat sich seitdem weitergedreht. Ich bin älter geworden, und
erzählte diese Geschichten gerne auf Parties. Die Verbrecher sind
böser geworden, die Serienzuschauer lassen sich nicht mehr mit
Bandenkriegenin der South Bronx abspeisen, es müssen schon
multinationale Terroristen sein, mindestens. Und im Zeitalter der
GPS-gestützten Navigationssysteme (deren Kommentare wie „Wenden
Sie bitte bei der nächsten Möglichkeit“ mitten auf der Autobahn
es an Sarkasmus durchaus mit K.I.T.T. aufnehmen könnten) holt man
niemanden mehr mit einem sprechenden Auto hinter dem Ofen hervor.
Endgültig von Knight Rider wandte ich mich ab, als ich herausfand,
dass Michael Knight eigentlich David Hasselhoff hieß, und ein paar
ziemlich schlechte Lieder gemacht hatte.
Trotzdem:
Die erste Folge auf Kassette, diejenige, in der Michael mit K.I.T.T.
Bekanntschaft macht und ihn zuerst für ein Autoradio hält, kann ich
immernoch auswendig mitsprechen.
Die
Kassette verstaubt in irgendeinem Karton im Keller meines
Elternhauses. Als ich sie dort hineingelegt habe, waren die Zeiten
anders. Es waren Zeiten, in denen nur ein Mann und sein Auto
unterwegs waren für Recht und Gesetz, und in denen das vollauf
genügte.
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