Dienstag, 18. Juni 2013

Nostalgischer Nostalgiepost (mit Nostalgie)

Das Buch, früher.
Als ich gerade anfing zu studieren, 2005, wollten wir nichts lieber als Bücher machen. Die ganze Zeit. Und deshalb saßen wir ständig um irgendwelche Küchentische, tranken, und dachten uns was aus. Und aus dem ein oder anderen wurde auch etwas. An ein paar davon möchte ich mich mittlerweile nicht mehr so gerne erinnern, andere wiederum haben sich als wirklich gute und schöne Ideen erwiesen, an denen ich gerne mitgearbeitet habe. "Alte Freunde. Helden unserer Kindheit" ist eines davon, auch eines, von dem ich immer wieder gerne erzähle, auch, weil für mich an dem Buch der Geruch dieser zauberhaften Aufbruchsphase hängt, in der wir wirklich nichts anderes als ein paar betrunkene Nächte an einem Küchentisch brauchten, um ein Buch zu machen. 

Demnächst erscheint eine runderneuerte Variante des alten Konzepts in der Edition Büchergilde. Bessere Autoren, bessere Herausgeber, ein richtiger Verlag, alle diese Sachen. Ich freue mich auch, dabei mitgemacht zu haben. 

Aber mein Herz wird immer an dieser alten, holprigen Version hängen, die wir uns in den langen, ersten Studiennächten ausgedacht haben. Deshalb hier: Meine zwei Texte daraus. Über He-Man und She-Ra, und über Knight Rider. 





He-Man und She-Ra

"The Man" Illustration: Robin Thiesmeyer
Prince Adam war ein ziemlicher Versager. Nicht nur, dass er mit einem (selbst für die 80er indiskutabel) hässlichen Pottschnitt herumlief, der darauf schließen ließ, dass es keinen anständigen Frisör auf Eternia gab. Auchw ar Princa Adam, im Vergleich zu seinem alter Ego, He-Man, etwas schwächlich geraten. Und der einzige auf ganz Eternia, der einem noch hilfloser vorkam als er, war seine leicht debile Katze Cringer.
Es scheint, als wäre Prince Adam einzig und allein dem Hirn irgendwelcher Marketingexperten entsprungen, die beseelt waren von dem Gedanken wirklich jedem Versager noch eine Identifikationsfirgur anzubieten. Und obwohl 15 Dollar damals eine unverschämte Menge Geld war, und noch niemand auf die Idee gekommen war, den Versager wenigstens zu einer Art coolem Versager zu machen, verkaufte sich selbst die Actionfigur von Prince Adam gut – wie überhaupt sämtliche Bewohner Eternias, egal, wie nutzlos sie waren. Sogar Orko, das fliegende Hemd.
Wir liefen damals durch die Straßen, befreundeten uns mit den paar Priviligierten, denen die Eltern die Actionfiguren gekauft hatten, benutzen ansonsten diverse Gegenstände als Zauberschwert, riefen „I have the Power“, oder die etwas unglückliche deutsche Übersetzung „Ich habe die (Zauber-)Kraft“. Das waren die Worte, mit denen sich Prince Adam in He-Man, den „mächtigsten Mann des Universums“ (He-Man über He-Man) und Cringer in „The Mighty Battlecat“ verwandeln konnte.
Eine wunderbare neue Zielgruppe erschloss isch den Machern von He-Man, als sie She-Ra und ihre „normale“ Identität“ Adora erfanden. Sie war He-Mans Zwillingsschwester, lebte in einer Art Paralleldimension auf dem Planeten Etheria in einer golden glitzernden, den ganzen Wald überragenden, ansonsten aber streng geheimen Rebellenfestung. Sie hatte alles, wovon man so glaubte, dass Mädchen es gut fänden. Ein süßes, weißes Pferd, beispielsweise, das sich in ein noch viel süßeres weißes Einhorn mit goldenem Horn und bunten Flügeln verwandeln konnte. Etherias Rebellen waren komplett weiblich besetzt, mit Ausnahme von Bow, eines eher geschlechtslosen Bogenschützen mit Strumpfhosen aus der reichen Tradition der Errol Flynns dieser Welt.
Die beiden schizoiden „Zwillinge der Macht“ (insgesamt also vier Actionfiguren) lernten sich in fünf legendären Crossover-Folgen kennen, die später zu einem 90minütingen Kinofilm wurden. Darin gelangte He-Man durch eine Art Spiegel in She-Ras Paralleldimension. Später trafen sie sich noch in der Folge „Weihnachten auf Eternia“ wieder. Ansonsten kämpften sie getrennt voneinander gegen Skeletor bzw. Hordak. Skeletor war ein Meister des Bösen. Hordak war eine Art Roboter, mit seiner „Horde“ Ehteria besetzt hielt, und sich in Kampfjets und Eisenbahnen verwandeln konnte.
Über den pädagogischen Nutzen der ganzen Geschichte wurde eher wenig diskutiert: Es gab keinen. Zwar wurde am Ende jeder Folge versucht, eine Moral zu präsentieren („Liebe Kinder, heute habt ihr gesehen, was passiert, wenn man seine Freunde verrät: Sie werden von Skeletor entführt und gefoltert“). Im wirklichen Leben half das allerdings keinem wirklich weiter.
Die strikte Unverwendbarkeit für das eigene Leben war allerdings ebenso teil der Faszination wie das Verbot oder wenigstens die Missgunst pazifistischer Eltern, die nicht mit genügend Phantasie ausgestattet waren, um zu begreifen, was den den Zwillingen der Macht mit ihren klischierten Geschlechterrollen und schwarz-weiß-gezeichneten Welten so toll sein sollte.
Natürlich waren die Figuren hässlich. Natürlich war der Zweck der Serie als Actionfigurvermarktungsmaschine eindeutig. Aber das alles war auch eine Gelegenheit, von der komplexen Arbeit des Kindseins wegzukommen. Statt am Band der eigenen Entwicklung zu stehen und monoton die Bausteine des Wissens zu montieren, konnte man für 23 Minuten in eine fernsehgläserne Welt eintauchen, in der tatsächlich niemand seine Freunde verriet. Und wenn es doch jemand tat, dann wurde er eben von Skeletor gefoltert. Es war eine Welt, in der es genau zwei Standpunkte gab, und nichts dazwischen. Man wusste immer genau, was zu tun war. Klar ist das eskapistisch. Aber wer das sagt, ist doof. Ätsch.



Knight Rider

Brusthaar, Auto, alles da. Illustration: Robin Thiesmeyer
Einmal, wirklich einmal nur, habe ich in einem Anfall bösartiger Kindheitsnostalgie Team Knight Rider, die Nachfolgeserie zu Knight Rider angesehen. Im Vorspann sagte eine Stimme aus dem Off: „Früher genügten ein Mann und sein Auto, um Recht und Gesetz in die Welt zu bringen. Heute genügt das nicht mehr.“ Oder so ähnlich. Statt, wie im Vorspann des guten, alten Knight Rider, fuhr nicht der 82er TransAm, besser bekannt als K.I.T.T. durch den heißen Wüstensand Nevadas – es waren zwei Motorräder, ein Minivan, zwei schnittige Sportwagen, und über den ganzen Fuhrpark brauste zur Krönung noch eine 747 hinweg.
Was war nur aus der Welt geworden? Michael Knight konnte früher so ziemlich alles, und was er nicht konnte, konnte K.I.T.T. Ich musste viel und hart mit meinen Eltern kämpfen, um mit Knight Rider ansehen zu dürfen. Wenn ich es denn geschafft hatte, sie irgendwie zu überzeugen, durfte ich den Fernseher einschalten. Ich durfte Michael Knight bewundern, wie er jeden Fall löste, jeden Kampf mit Witz und Charme gewann und am Ende alle möglichen Frauen mit Föhnwelle küsste. Das war etwas anderes als diese der Pferdekichermädchen in meiner Klasse, die ich nie so wirklich verstand. Frauen mit Föhnwelle – das sah nach Spaß aus.
Aber für Michael Knight war das nebensächlich. Wichtig war, dass er so ziemlich jeden Tag mit offenem Hemd, hervorquellendem Brusthaar und im Auftrag der „Knight Foundation für Recht und Verfassung“ die zivilisierte Welt rette, vor Schlägern, korrupten Senatoren und Richtern, vor Slumbanden, Industriespionen und nicht zuletzt vor zahlreichen bösen Klonen von K.I.T.T., allen voran dem wirklich ultrabösen K.A.R.R., der sogar zweimal zerstört werden musste, bis er endlich nicht mehr auftauchte.
Ich sollte auch so einen K.I.T.T. Jeder Junge wollte einen. Er hatte rote Leuchten an der Motorhaube, die immer – wooosch! Wooosch! - hin- und her flackerten. Er hatte einen Turbo Boost, mit dem er kurzzeitig fliegen konnte. Außerdem hatte er einen Pursuit Mode, mit dem er 300 Meilen pro Stunde fahren konnte, und den eher lahmen Silent Mode. Wenn Michael Knight in der Klemme saß, holte K.I.T.T. ihn immer wieder raus, dank seiner Emergency Chematic Blueprint, einem Notfallplan für alle Fälle. Außerdem war das Auto eitel, in einer Folge waren Michael und sein Auto inkognito unterwegs, aber K.I.T.T. weigerte sich beharrlich gegen Sternchenaufkleber am Kotflügel, immer in dieser charmanten, ruhigen und sarkastischen Stimme.
Irgendwann bin ich dazu übergegangen, mit meinem damals besten Freund alle Folgen auf Kassette zu kaufen, und im heimischen Garten nachzuspielen, wobei wir uns in der Rolle des Michael Knight abwechselten, und ein ausrangierter Trabbi im Garten als K.I.T.T. herhalten musste. Das war unsere Art, diese endlosen Sommerferienabende zu verbringen.
Zugegeben, die Welt hat sich seitdem weitergedreht. Ich bin älter geworden, und erzählte diese Geschichten gerne auf Parties. Die Verbrecher sind böser geworden, die Serienzuschauer lassen sich nicht mehr mit Bandenkriegenin der South Bronx abspeisen, es müssen schon multinationale Terroristen sein, mindestens. Und im Zeitalter der GPS-gestützten Navigationssysteme (deren Kommentare wie „Wenden Sie bitte bei der nächsten Möglichkeit“ mitten auf der Autobahn es an Sarkasmus durchaus mit K.I.T.T. aufnehmen könnten) holt man niemanden mehr mit einem sprechenden Auto hinter dem Ofen hervor. Endgültig von Knight Rider wandte ich mich ab, als ich herausfand, dass Michael Knight eigentlich David Hasselhoff hieß, und ein paar ziemlich schlechte Lieder gemacht hatte.
Trotzdem: Die erste Folge auf Kassette, diejenige, in der Michael mit K.I.T.T. Bekanntschaft macht und ihn zuerst für ein Autoradio hält, kann ich immernoch auswendig mitsprechen.

Die Kassette verstaubt in irgendeinem Karton im Keller meines Elternhauses. Als ich sie dort hineingelegt habe, waren die Zeiten anders. Es waren Zeiten, in denen nur ein Mann und sein Auto unterwegs waren für Recht und Gesetz, und in denen das vollauf genügte. 


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen