Samstag, 28. Dezember 2013

Die Liebe in den Zeiten des Hadouken

Die GEE ist, nun wohl auch endgültig, tot. Das ist schade, gut aber ist: Zum Abschied erschien im Oktober noch einmal eine Ausgabe zum 10jährigen Jubiläum der Zeitschrift. Ich durfte dafür eine kleine Rezension schreiben - zu einem der wahrscheinlich schönsten Spiele, die ich in den letzten Jahren gespielt habe: Das Zeitgeistarchiv Point-and-Click-Adventure "Gone Home".





Die Liebe in den Zeiten des Hadouken

System: PC, Mac, Linux
Entwickler: The Fullbright Company
Publisher: The Fullbright Company
Preis: 19.99$
USK: Nicht bewertet


NES-Erinnerungen / Screenshot von mir
Erinnert sich noch jemand an 1995? Akte X, Kurt Cobain, endlose Street-Fighter-Nachmittage, Pubertät und auch ein bisschen erste Liebe? Diese ganzen Gefühle aus der Mitte der 90er, die bei jedem Besuch im Elternhaus unkontrolliert aus den Wänden suppen?
Im Grunde war es nur eine Frage der Zeit, bis ein Spiel wie „Gone Home“ auftaucht: Man konnte in den letzten Jahren, vor allem bei den Indie-Games, immer wieder beobachten, dass eine neue Generation Gameentwickler das Ruder übernommen hat. Diejenigen nämlich, die Mitte der 90er ihre Pubertät hinter sich gebracht haben, und sich jetzt einer Portion Nostalgie an die Spiele erinnern mit denen sie aufgewachsen sind. Immer wieder gab es Spiele wie „Super Meat Boy“ oder „Superbrothers: Sword and Sorcery“ die sich in ihrer Ästhetik deutlich an SNES- und NES-Vorbilder anlehnten. Vor allem aber sind die Spiele mit den Entwicklern erwachsen geworden, und liefern wie in „Braid“ komplexe Geschichten übers Leben und Lieben ab. Manche bauen sich, wie das Geschichten-Erkundungsgame „Dear Esther“ daraus sogar komplette neue Spiel- und Storytellingmechaniken, angesiedelt irgendwo zwischen einem guten Buch im Lieblingssessel und Point-and-Click.
Musikmagazine, früher / Screenshot von mir
„Gone Home“ funktioniert ähnlich wie „Dear Esther“: Gegenstände und Orte triggern Erinnerungen an eine Geschichte, die sich der Spieler zusammensetzten muss. Aber während „Dear Esther“ eine epische, Jules-Verne-artige Erzählung war, zielt „Gone Home“ nach ganz woanders: Kate Greenbriar kommt von einer langen Reise durch Europa in das neue Haus ihrer Eltern, und es ist niemand da. Sie versucht herauszufinden, wo alle sind.
Fast jeder Gegenstand in dem Haus kann aufgenommen und von allen Seiten betrachtet werden: Flyer für Konzerte sind dabei, Musikmagazine, auf deren Cover Kurt Cobain abgebildet ist, SNES-Spiele, VHS-Kassetten. Es gibt abspielbare Musikkassetten. Kaum einer der Gegenstände bringt die Geschichte wirklich woran, hilft bei der Frage weiter: Wo sind die eigentlich alle? Warum ist das Haus so leer? Aber sie erzählen eine andere Geschichte: Sie erzählen die Geschichte einer bestimmten Zeit. „Gone Home“ ist ein Geschichtenerkundungsspiel – es gibt die Geschichte des Hauses zu erkunden, die Geschichte der Eltern, es gibt eine Liebesgeschichte zu finden, in der es um Kate Greenbriars Schwester Sam und „Street Fighter“ geht.
Mixtape! / Screenshot von mir
Das eigentlich Interessante an „Gone Home“ sind aber nicht diese Geschichten. Es ist die eigene Geschichte, die eigenen Erinnerungen, die das Spiel freisetzt, einfach nur beim Anblick einer krude zusammenkopierten Fanzine, eines Konzerttickets, beim Anhören eines bestimmten Liedes, dass einen an die Mixtapes erinnert, mit denen man früher versuchte zu flirten. Nicht das Haus der Greenbriars wird erkundet. Es ist das Haus er eigenen Erinnerungen. Die Geschichte geht nicht mit Kate los, wie sie auf der Veranda ihres Elternhauses steht. Sie geht los mit: Ich war 12, und als ich das Mixtape in den Briefkasten dieses einen Mädchens warf, war ich so aufgeregt wie danach nie wieder. 

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