Die GEE ist, nun wohl auch endgültig, tot. Das ist schade, gut aber ist: Zum Abschied erschien im Oktober noch einmal eine Ausgabe zum 10jährigen Jubiläum der Zeitschrift. Ich durfte dafür eine kleine Rezension schreiben - zu einem der wahrscheinlich schönsten Spiele, die ich in den letzten Jahren gespielt habe: Das Zeitgeistarchiv Point-and-Click-Adventure "Gone Home".
Die
Liebe in den Zeiten des Hadouken
System:
PC, Mac, Linux
Entwickler:
The Fullbright Company
Publisher:
The Fullbright Company
Preis:
19.99$
USK:
Nicht bewertet
NES-Erinnerungen / Screenshot von mir |
Erinnert
sich noch jemand an 1995? Akte X, Kurt Cobain, endlose
Street-Fighter-Nachmittage, Pubertät und auch ein bisschen erste
Liebe? Diese ganzen Gefühle aus der Mitte der 90er, die bei jedem
Besuch im Elternhaus unkontrolliert aus den Wänden suppen?
Im
Grunde war es nur eine Frage der Zeit, bis ein Spiel wie „Gone
Home“ auftaucht: Man konnte in den letzten Jahren, vor allem bei
den Indie-Games, immer wieder beobachten, dass eine neue Generation
Gameentwickler das Ruder übernommen hat. Diejenigen nämlich, die
Mitte der 90er ihre Pubertät hinter sich gebracht haben, und sich
jetzt einer Portion Nostalgie an die Spiele erinnern mit denen sie
aufgewachsen sind. Immer wieder gab es Spiele wie „Super Meat Boy“
oder „Superbrothers: Sword and Sorcery“ die sich in ihrer
Ästhetik deutlich an SNES- und NES-Vorbilder anlehnten. Vor allem
aber sind die Spiele mit den Entwicklern erwachsen geworden, und
liefern wie in „Braid“ komplexe Geschichten übers Leben und
Lieben ab. Manche bauen sich, wie das Geschichten-Erkundungsgame
„Dear Esther“ daraus sogar komplette neue Spiel- und
Storytellingmechaniken, angesiedelt irgendwo zwischen einem guten
Buch im Lieblingssessel und Point-and-Click.
Musikmagazine, früher / Screenshot von mir |
„Gone
Home“ funktioniert ähnlich wie „Dear Esther“: Gegenstände und Orte
triggern Erinnerungen an eine Geschichte, die sich der Spieler
zusammensetzten muss. Aber während „Dear Esther“ eine epische,
Jules-Verne-artige Erzählung war, zielt „Gone Home“ nach ganz
woanders: Kate Greenbriar kommt von einer langen Reise durch Europa
in das neue Haus ihrer Eltern, und es ist niemand da. Sie versucht
herauszufinden, wo alle sind.
Fast
jeder Gegenstand in dem Haus kann aufgenommen und von allen Seiten
betrachtet werden: Flyer für Konzerte sind dabei, Musikmagazine, auf
deren Cover Kurt Cobain abgebildet ist, SNES-Spiele, VHS-Kassetten.
Es gibt abspielbare Musikkassetten. Kaum einer der Gegenstände
bringt die Geschichte wirklich woran, hilft bei der Frage weiter: Wo
sind die eigentlich alle? Warum ist das Haus so leer? Aber sie
erzählen eine andere Geschichte: Sie erzählen die Geschichte einer
bestimmten Zeit. „Gone Home“ ist ein Geschichtenerkundungsspiel –
es gibt die Geschichte des Hauses zu erkunden, die Geschichte der
Eltern, es gibt eine Liebesgeschichte zu finden, in der es um Kate
Greenbriars Schwester Sam und „Street Fighter“ geht.
Mixtape! / Screenshot von mir |
Das
eigentlich Interessante an „Gone Home“ sind aber nicht diese
Geschichten. Es ist die eigene Geschichte, die eigenen Erinnerungen,
die das Spiel freisetzt, einfach nur beim Anblick einer krude
zusammenkopierten Fanzine, eines Konzerttickets, beim Anhören eines
bestimmten Liedes, dass einen an die Mixtapes erinnert, mit denen man
früher versuchte zu flirten. Nicht das Haus der Greenbriars wird
erkundet. Es ist das Haus er eigenen Erinnerungen. Die Geschichte
geht nicht mit Kate los, wie sie auf der Veranda ihres Elternhauses
steht. Sie geht los mit: Ich war 12, und als ich das Mixtape in den
Briefkasten dieses einen Mädchens warf, war ich so aufgeregt wie
danach nie wieder.
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