Samstag, 12. April 2014

Weiß, weiß und bunter

Ich beim Schreiben. Links das Bild. Foto: Merlin Schumacher
Gestern war unter anderem ich von den jungen Freunden des Sprengel-Museum Hannover eingeladen, so eine Art künstlerische Stille Post zu spielen (und danach, klar, legte ein DJ auf, muss ja, geht ja nicht anders). Soll heißen, ich durfte zu einem Bild spontan einen Text schreiben. Mein Bild war weiß. Also, schon zwei verschiedene Weißtöne, trotzdem aber hauptsächlich weiß. Aus meinem Text machten dann die Jungs Olf und Lupin wiederum ein Bild, ohne zu wissen, was das Ausgangsbild war. Ich hatte, ich weiß nicht, eine Dreiviertelstunde Zeit für den Text. Hier ist er: 



Alle Farben Weiß


Ich weiß nicht, wie lange es war, aber ich glaube, es war lange, da starrten wir tagelang, vielleicht auch wochenlang oder länger auf den Himmel und sahen kaum etwas, nur die leichtesten Schattierungen von quasi nichts, eher vielleicht etwas mehr als nichts, weil vielleicht auch weiß nicht ganz nichts war: Es war schwer zu sagen. Das waren Tage, die vergingen wie im Nebel: Ich, kaum ein Schatten in der Wohnung, in der weiße Sofas auf weißem Boden standen. Sie, auf dem Sofa, in diesem Kleid, dessen Streifen nicht dafür gedacht waren, voneinander unterschieden zu werden: Sie gingen irgendwo zwischen den verschiedenen Sorten weiß verloren, wie der Himmel, in den wir starrten, wie der Nebel, der irgendwann daraus wurde, es gab vielleicht nur die feinsten Unterschiede zwischen ihnen.

Manchmal stand sie auf, schleppte sich wie als sei alles zu mühsam außer atmen hin zum Fenster, ich bin mir nicht sicher, ob sie nicht vielleicht transparent war: Durch ihr Kleid schien das Licht, ihr Körper hielt das Licht kaum ab, zeichnete kaum den Schatten, der eigentlich hätte da sein müssen: Sie war annähernd so durchscheinend wir ihr Kleid.

Wenn sie sich bewegte, von dem kontrastarmen Sofa aufstand, sich durch den Raum bewegte zu dem Fenster hin schaute ich zu: Meistens lag ich auf dem Boden, nichts weiter zu tun, vielleicht - ich erinnere mich nicht genau - rauchte ich eine Zigarette, stieß den Rauch aus, der mir sonst immer weiß vorkam, der aber bläulich wirkte, oder fast schon grau in dieser Wohnung, in der es sonst kaum Farben gab. Ich kann nicht sagen, ob sie lief, es war mühsam für sie sich zu bewegen, sicherlich, ich sah ihr von meinem Platz auf dem Boden zu und bin mir nicht sicher, ob ihre Füße ihn tatsächlich berührten, vielleicht ist das aber auch nicht wichtig. 

Wir starrten aus dem Fenster, tagelang, wochenlang, ich weiß nicht mehr genau, ich weiß nur, dass der Himmel keine Farben hatte, jedenfalls keine, die ich sehen konnte, kein Blau, kein Grau, nur Weiß, das manchmal so hell war, dass es weh tat länger hinzusehen. Ihr machte das nichts aus; Wenn sie mit ihrem durchscheinenden Körper vor das Fenster trat, und diesen Schatten warf, der kaum einer war, dann ging sie lange Zeit nicht vom Fenster weg, vielleicht blinzelte sie noch nicht einmal. 

Ich stand dann auf, hievte mich von meinem Boden und und versuchte, neben ihr zu stehen, so lange, wie sie auch stand, versuchte, genau so in den weißen Himmel zu sehen wie sie: Ich hielt es meistens nicht so lange aus. Ich weiß nicht, wie lange das so ging, allerhöchstens wohl nur eine Jahreszeit, in der der Himmel immer gleich war: Ich lag, sie stand auf, wir starrten in den Himmel und versuchten etwas zu erkennen, von ich nicht genau weiß, ob es auch tatsächlich dort war. Ich weiß nicht, was sie sah, ich sah es nicht.

Das Bild zum Text von Olf und Lupin. Foto von mir.
Manchmal schliefen wir,  nachts, wenn der Himmel dunkel war, sie legte sich dann einfach hin, auf dieses Sofa, ich zerrte mir eine der Decken zurecht, die in dem Zimmer verteilt waren, ich weiß nicht, ob sie nachts jemals aufwachte, ich glaube nicht, ich bin mir noch nicht einmal sicher, ob sie atmete. Ich wachte auf: Ich stand auf, ich lief so leise ich konnte zu dem Fenster, an dem manchmal ihre Tage verbrachte, und starrte in die Nacht heraus wie sie in den Tag, so, als gäbe es da tatsächlich etwas zu sehen, aber, soweit ich mich erinnere, waren da weder Lichter, noch Autos, noch Geräusche, nichts, woran ich mich hätte festhalten können. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen