Sonntag, 17. Februar 2013

Exen googlen

Als Dank für den Text bekam ich noch einen Abzug
von der Petersilie. Bild von mir. 

Das sind so Sachen, die machen immer wieder Spaß: Ich habe eine Zeit lang viel für den kleinen Kinderbuchverlag "Autumnus" geschrieben. Diese beiden Essays, zum Beispiel. Der Verlag ist auch sehr aktiv dabei, neue Zeitschriften und Hefte aus dem Boden zu stampfen - und für eines davon sollte ich zu einem Foto einen Text schreiben. Ich weiß nicht mehr, wie die Fotografin hieß, die die Bilder gemacht hat. Ich weiß nur noch, dass sie Dinge, die sie in ihrer Küche fand auf Fotopapier legte, und dabei ganz eigenartige, aber doch schöne, abstrakte Bilder herauskamen. Ich entschied mich für eines, bei dem sie Petersilie benutzt hatte, weil es genauso aussah wie der aschengraue Himmel im Winter, der, als ich den Text schrieb, schon monatelang über der Stadt hing.
Warum ich damals Exfreundinnen googlelte, weiß ich nicht mehr. Aber ich glaube, das macht jeder mal, von Zeit zu Zeit. Und ich hoffe, das wirkt jetzt überhaupt nicht merkwürdig.


Petersilienhimmel


Ich habe nichts zu tun, außer Exfreundinnen zu googlen. Selbst die Petersilie in der Küche kann ich nur jeden zweiten Tag gießen, und das ist schon zuviel für sie, sie wächst nicht, sie bleibt immer nur klein und krüppelig. Wenn sie blüht, dann schneide ich die Blüten ab. Seit Tagen habe ich den Himmel nicht gesehen, nur die graue Aschesuppe über mir. Meine Ex-Freundinnen waren alle allergisch gegen Petersilie. Die eine ist jetzt Reiseverkehrskauffrau, die andere Friseuse. Sie bekamen rote Pickel davon am ganzen Körper. Es wird den ganzen Tag nicht hell. Ich google Exfreundinnen. Die Petersilie habe ich erst heute morgen gegossen. Eine kleine Blüte landete im Biomüll. Einer dieser Tage, die hochgradig verschwendet sind. Ich habe ein Foto gemacht von dem Pflänzchen, von ganz nah, so dass es aussieht als sei es aus Plastik, und er graue Himmel ist im Hintergrund. Das Küchenkraut wuchert in die Aschesuppe hoch. Irgendwo da oben muss ja Himmel sein. Ich schicke das Foto der Reiseverkehrskauffrau, die Abwesenheitsmitteilung kommt sofort zurück. Sie ist im Urlaub. Wir haben ewig gebraucht, nur, um uns an den Händen zu halten, damals. Wir waren jung, wir hatten es nicht eilig. Wir lagen an einem kleinen Nebenarm eines Flusses, die Hände ineinander gedrückt, und wussten nicht weiter. Wir haben länger dafür gebraucht, unseren Mut für einen ersten Kuss zu sammeln als uns zu trennen. Ich schicke das Foto der Friseuse. Ihr Postfach ist voll. Ich weiß nicht mehr, was wir gemacht haben. Es regnete, sie war nass, und zog sich um. Wir lagen nebeneinander in einer Einzimmerwohnung mit unaufgeräumter Kochnische, und ich fühlte mich schwarzweiß. Sie zog aus ihrer Wohnung aus und nahm nichts mit. Ich stelle mir vor, dass die Friseuse jetzt jeden Tag Menschen verändert.


Ich habe angerufen. Ich habe einen Termin bei der Friseuse, sie soll mir blonde Strähnchen machen. Sie arbeitet draußen im Industriegebiet, wo die Supermarktfahnen im Wind gegen die Fahnenstangen klackern. Auf dem Weg steche ich mit den Finger in den Himmel um zu sehen, ob Eiter rausläuft, oder etwas anderes. Ich bin nicht groß genug. Ich lasse mir keine Strähnchen machen. Ich nehme den Termin nicht wahr. An einer Imbissbude stelle mich mich an einen Stehtisch und lasse die lauten Gespräche der Lastwagenfahrer alles überlagern. Ich esse eine Bratwurst, und der Kaffee wird gratis nachgeschenkt. Nach zwei Stunden zittern meine Hände von dem Koffein. Ich gehe nach Hause, und muss von dem ganzen Kaffee pinkeln. Ich stelle mich an eine Wand in einer vollgesprayten Unterführung.

Ich googele Exfreundinnen. Sie verändern sich nicht. Es sind nur diese zwei. An die Nachnamen der anderen kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich bearbeite das Foto. Es wird schwarzweiß, und ich drehe den Kontrast hoch. Das alte lösche ich. Der Hintergrund sieht aus wie die graue Aschesuppe, die mir jetzt schon fast ins Fenster kriecht. Ich schicke das Foto der Reiseverkehrskauffrau. Sie ist immer noch im Urlaub. Ich schicke das Foto an mich selbst, um zu sehen, ob es sich verändert. Es dauert eine Weile, bis ich darauf komme, das Foto entwickeln zu lassen, und noch länger, bis ich mich aufraffe, und mich durch die Fußgängerzone zwischen den Menschen entlang zum Fotoladen schlängele. Ich bestellte 50 Stück davon, in einer halben Stunde sollen sie fertig sein. Die Fußgängerzone ist genau eine Viertelstunde lang. Ich gehe sie einmal hoch und runter, und hole meine Fotos ab.

Die Reiseverkehrskauffrau hat nicht zurückgeschrieben.Der Friseur hat nicht zurückgerufen, obwohl ich den Termin verpasst habe. Ich nehme die Fotos heraus, eines nach dem anderen, und pflastere die Decke damit zu. Ich versuche mich zu erinnern, wann die die Petersilie das letzte Mal gegossen habe. Ich versuche mich zu erinnern, ob die Exfreundinnen tatsächlich allergisch waren, ober ob ich das nur glaube. Ich lege mich in meinem Zimmer auf den Rücken. Es sieht genau aus wie der Himmel draußen. Nur manchmal sehe ich, dass Wolken aufreißen, aber das Grau dahinter kenne ich auch. 

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