Samstag, 27. September 2014

Kauft dieses Buch

Das Cover.
Ich habe - aus vielen Gründen, aber hauptsächlich, weil ich toll finde, dass das geht - mal die letzten 10 Jahre meiner Kurzgeschichten in einem Band gesammelt und auf einer Self-Publishing-Plattform veröffentlicht. Teilweise musste ich sie abtippen, weil ich sie nur noch als gedruckte Variante in irgendeinem zerlesenen Belegexemplar hatte, teilweise musste ich Mail-Accounts durchwühlen, in die ich mich 10 Jahre lang nicht eingeloggt hatte. Aber: Es hat Spaß gemacht, und jetzt habe ich diese Datei auf meiner Festplatte (und dort draußen in der Welt), die für mich eine wirklich eigenartige Sache ist, in dieser Dichte, in dieser Zusammenstellung. 
Teilweise sind die Geschichten in dem Band frühe Stolperversuche, teilweise eigenartige Experimente, und wirren Laborbedingungen gezüchtet, teilweise haben sie aber auch Preise gewonnen beziehungsweise waren für welche nominiert. Oder sind in namhaften Literaturzeitschriften erschienen. Alles in allem, finde ich, für mich persönlich, eine gute Zusammenstellung. Wers also kaufen möchte: Ich freue mich. 
Es gibt in dem Band auch ein Vorwort, das ich hier einfach mal fix reinkopiere.



Vorwort: Stolpern und Nostalgieanfälle

Am Ende saß ich auf dem Boden, überall aufgeschlagene Belegexemplare um mich herum, mitten in einem harten Anfall von Nostalgie. Ich trug meinen schwarzen Bademantel, in dem ich am liebsten arbeite.
Ich hatte ein Buch gesucht, ich weiß nicht mehr was, ich weiß nicht mehr für was, für irgendeinen Artikel, irgendeine Referenz, die ich gerade brauchte. Stattdessen stieß auf dieses Buch: stattflucht. Wir - der 2003er-Jahrgang des Studiengangs Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus in Hildesheim - hatten das Anfang 2004 herausgebracht, einfach, weil wir gerne mal etwas veröffentlichen wollten, eine kleine Werkschau. Weil wir, nachdem wir nun an einer Schreibschule studierten, ja wohl auch Autoren waren, und Autoren ohne Bücher sind nur so halbe Autoren, klar.
Es gab sogar eine Release-Lesung, oben, in dem kleinen, stickigen Raum der Kulturfabrik, der ja schon zu meinem zweiten Zuhause geworden war und es die nächsten paar Jahre auch blieb. Es kamen sogar ein paar Leute Lesung. Nicht so viele, und ganz ehrlich gesagt heute auch nicht mehr zu so was gehen.
Ich fand also dieses Buch, von dem ich auch gar nicht mehr wusste, dass ich es überhaupt noch hatte, auf der ersten Seite die Unterschriften aller Autoren, Menschen, die mir heute noch wichtig sind, größtenteils Freunde, und die, das ist das schönste daran, alle irgendwie ihren Weg gehen.
Da ist sie, die stattflucht.
Inklusive Unterschriften junger, sehr junger, Autoren.
Ich wühlte weiter im Bücherregal, zerrte diese ganzen Anthologien und Zeitschriften heraus, die irgendwann einmal der Meinung gewesen waren, dass es eine gute Idee wäre, einen Text von mir abzudrucken. Ich schlug sie auf, blätterte darin herum, las, erinnerte mich, schlug wieder die stattflucht auf, weil ich wissen wollte, wann das eigentlich gewesen war, mein erster Text, der in einem Buch abgedruckt worden war. Und stellte fest: Vor 10 Jahren.
Ich kann – und möchte auch nicht – hier jetzt die letzten 10 Jahre aufbereiten, es gab ein Studium, es gab Veröffentlichungen, es gab Lieben und Affären, es gab Projekte, die scheiterten und solche, die nicht scheiterten, es gab Freunde und Freundinnen, es gab schwere Zeiten, gute Zeiten, alles dazwischen. Insgesamt: Tolle 10 Jahre, wenn die nächsten auch so würden, wäre ich zufrieden.
Was es aber vor allem gab, in meiner Welt, sind Geschichten. Alles verteilt in diesen Belegexemplaren, die, selbst während ich das hier schreibe, immer noch auf dem Boden herumliegen, kreisrund um dieses Loch verteilt, in dem ich saß und meinen Anfall von Nostalgie verarbeitete. Und in dem ich vor allem dachte: Wäre es nicht nett, diese ganzen Geschichten mal einem Ort zu haben? In einem Band? Nicht, dass ich der Meinung wäre, dass Leute sich so wirklich dafür interessieren würden, aber alleine, weil ich es einen schönen Gedanken finde.
Das Problem ist: Wenn man – ich – zu Verlagen oder Agenturen geht, und versucht, schon veröffentlichte Erzählungen loszuwerden, also sowas sagt wie: Hey, ich hab hier 200 Seiten coole Short Stories aus den letzten 10 Jahren, die sind zwar alle schon in anderen Büchern, aber kann man doch machen, oder?, dann werfen die einen raus. Oder sagen zumindest, dass sowas sich nicht verkauft, aber man sei doch talentiert, das seien doch alles gute Geschichten, man solle doch mal mit etwas längerem ankommen. Zumindest bekomme ich das immer gesagt.
Nunja, mein Längeres tourt gerade durch die langsamen Mühlen des Literaturbetriebs – ich bin vorsichtig optimistisch. Nicht unzufrieden. Alles wird gut.
Meine kürzeren Geschichten sind das größere Problem. Ein paar sind in den entsprechenden Anthologien noch erhältlich, viele nicht, manchmal, weil es die Verlage nicht mehr gibt, weil alle Exemplare verkauft oder verschwunden sind, aus 10 oder 20 anderen Gründen. Ich habe – nicht nur, weil ich es anders schade fände - meine Geschichten immer gerne irgendwo da draußen, wo Leute sie lesen können. Am liebsten, wenn sie einfach zu bekommen sind, idealerweise gratis, zumindest aber billig zu haben und für mich ohne großen Aufwand zu veröffentlichen (ich habe mich dafür entscheiden, für diesen Band ein kleines bisschen Geld zu nehmen, weil ja doch eine Menge Arbeit drinsteckt).
Ich möchte jetzt nicht auf die langwierige E-Book vs. P-Book Diskussion eingehen, und auch nicht auf wie noch langwierigere Diskussion Self-Publishing vs. Verlagsveröffentlichung. Ich veröffentliche, wo ich kann. Wenn man noch meine notorische Ungeduld dazu nimmt und die Zeit, die so ein P-Book braucht, dann schreit vor allem bei diesen Texten alles nach Selbstpublikation. Es sind ja Texte, die schon da sind, die schon durch Lekto- und Korrektoratmühlen gegangen sind.
Allerdings, man kann das nicht anders sagen, sind manche von Texten, vor allem die früheren, holprig. Für Geschichten wie Orangeneis und Zugzielanzeiger schäme ich mich tatsächlich ein wenig, es sind Gehversuche von einem, der kaum krabbeln kann, ständig auf die Schnauze fällt und weitergeht. Das sind – auch nach der Überarbeitung noch - holprige Texte, voller Pathos, bevor ich mich noch einmal darangesetzt habe sogar voller falscher Zeitformen.
Andere Texte, wie Ratten und Kakerlaken, hatte ich seit Jahren nicht gelesen, und stellte fest, dass der Text eine unglaubliche Power entwickelt, dass da einer unbekümmert an seinen Text, sein Riesenthema herangeht und einfach durchbrettert, ohne nach links und nach rechts zu kucken. Würde ich heute nicht mehr hinkriegen, nicht so unbekümmert, nicht so naiv.
Manche Texte mag ich heute noch, manche nicht. Manche sind Experimente, die als Zuchtansatz in einem Laborglas vielleicht mal Sinn gemacht haben – Sleeper, zum Beispiel – hier draußen in der Welt dann nicht nicht so. Aber ich mag immer die Bildwelten, diese Motive, an denen ich mich immer noch abarbeite, die ich ununterbrochen remixe, neu gestalte, ausformuliere: Diese ganzen Tiere, die ständig auftauchen, das ununterbrochene Wegglitschen ins Surreale und Magische, diese Erzählungen, die fast immer von Verlust handeln. Gerade die alten Texte zeigen das sehr roh, sehr brutal. Mir war, bevor ich die Geschichten zusammengestellt habe, gar nicht so klar, dass das ein Ding ist, das ich mache, eines, das man über die Jahre, in so konzentrierter Form, so gut beobachten kann.
Für mich, als derjenige, der den ganzen Kram geschrieben hat, ist die Zusammenstellung vor allem als Prozess interessant – mir war schon klar, dass da in den letzten 10 Jahren etwas passiert ist, aber es ist auch das erste Mal, dass ich das so gebündelt lese, so gebündelt sehe, was da passiert ist, wie oft ich gestolpert bin, wie if ich mich verlaufen habe, wo ich überall war.
Größtenteils finde die Geschichten aber – auch einzeln – gelungen, und das ist tatsächlich etwas, das mir immer schwer fiel, weil es vom Kopf auf das (digitale) Papier doch immer ein sehr weiter Weg ist. Auf Geschichten wie Die Taubenjägerin oder Unter den Türmen hinter der Stadt bin ich stolz, auch, wenn ich genau weiß, dass es da im Getriebe manchmal noch hakt. Aber ich hoffe immer, dass ich der einzige bin, der das sieht. Aber ich bin stolz darauf, dass sie bei renommierten Literaturzeitschriften und Wettbewerben Erfolg hatten, auch, wenn das manchmal einen etwas schalen Nachgeschmack hinterlässt, weil es mir nach wie vor schwerfällt, mich – es gibt Ausnahmen – mit dem anzufreunden, was sich Junge deutsche Literatur nennt, und dem ganzen feuilletonistischen Brimborium darum, der, denke ich, weit entfernt ist von Menschen, die tatsächlich lesen. Aber auch die Diskussion möchte ich hier nicht führen (ich führe sie aber gerne mal abends bei einem Bier).
Der Punkt ist: Ich mag diese Zusammenstellung, ich freue mich, dass das alles mal zusammenkommt. Ich freue mich noch mehr, wenn Menschen sie lesen. Ich freue mich, dass sie da draußen ist, teilbar, kaufbar, lesbar. Ich freue mich, dass mein Nostalgieanfall dazu geführt hat, dass ich endlich diese ganzen Sachen noch einmal gelesen, überarbeitet und teilweise aus lang vergriffenen Büchern abgetippt habe. Und jetzt ist es in der Welt.
Jetzt seid ihr, die Leser, dran.

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