Freitag, 23. August 2013

Literarische digitale Spiele, Facebook-Outtakes


Ich weiß nicht mehr, wie ich darauf gekommen bin, vielleicht war es, weil zur Zeit - zumindest in meinem Stream - viel darüber gesprochen wird, ob digitale Spiele jetzt die neue Literatur seien. Auf jeden Fall fragte ich mich, wie viele und was für Adaptionen von literarischen Klassikern es eigentlich als Spiel gibt - und vor allem, warum sich eigentlich kaum jemand damit beschäftigt wie man sich, beispielsweise, mit Literaturverfilmungen befassen würde. Bei Zeit Online fand man, das sei auf jeden Fall einen Artikel wert - hier ist er

Weil ich so eine Recherche nicht gerne alleine mache, ist fragte ich Facebook:

Hey, Crowd:  Ich suche nach Ausätzen / Forschung aus den Game Studies, der Literatur- und Medienwissenschaft, die sich mit (vergleichender) Analyse von digitalen Spielen und den literarischen Klassikern, auf denen sie basieren beschäftigen / beschäftigt. Oder das im weitesten Sinne zum Thema haben. Gibts sowas? Meine These ist: Gibts nicht. Aber vielleicht finde ichs auch nicht.

Facebook hatte einiges an Material für mich. Nachfolgend habe ich einfach mal den entsprechenden Thread hier rein kopiert, mit vielen, vielen nützlichen Links, Ideen und Beleidigungen. 





Freund M.: Ich weiß nichts. Aber vielleicht hier mal wühlen:http://gamestudies.org/1202


Freund P.:  http://www.amazon.de/Literatur-Film-Computerspiel-Bernd-Hartmann/dp/3825881016 ist aber eher betagt und streitbar. Ansonsten ganz old school: Hamlet on the Holodeck.


Freund M.: Stimmt. Hamlet on the Holodeck. Ist aber irgendwie, na ja, so allgemein theatralisch.


IchEs geht auch erstmal gar nicht so sehr um Inhalte - eher um die Frage, ob und wie das Thema in die Forschung gesickert ist.


Freund P.: Muss mal daheim in meinem Haufen wühlen.


Freund R.: In Ihrem Haufen? Redneck.


Freund P.Schnauze, Hippster. Dann noch diese Narratem-Geschichte von Degler, die aber nicht so tierisch funktional ist: http://www.rz.uni-karlsruhe.de/~ea08/boehn/bronnbach/bronn_lab/Degler.pdf


Freund M.Britta Neitzel macht auch in Erzählung. Das ist jetzt aber gefährlich Old School-Game Studies, in den dunklen Tagen der Legende von den Narratologen und den Ludologen. Ich weiß nicht, ob man da noch einmal hinuntersteigen sollte.


Freund P.Das verbotene Wissen über dunkle Rituale gibt es halt nur in den alten Texten.


Freund M.Im Handbuch des deutschen Computerspielglaubens.


Freund R.Hexenverbrennung? Bücherverbrennung? Wird hier gezündelt? WHERE s den Anfängen?


Freund P.: Der Auswahlband zur FROG 2010 hat meines Wissens sowas drin, ich schaue gerne gleich für dich nach. Außerdem: Narratologen vs Ludolologen? Lasst doch die arme Frau Neitzel, für manche Menschen ist halt immernoch 1999 und das Internet Neuland.


Freund M.: Ich habe mich gar nicht auf Britta Neitzel bezogen. Sondern auf das gesamte Thema Literatur und Computerspiele.


Freund C. Ich habe nur mal diesen wischiwaschiwissenschaftlichen Essay für die Bella Triste geschrieben:

[www.schauanblog.de/2012/09/digital-games-love-story.html]

Freund N.A level 5 Egghead has appeared! Ne, ich hab mal ne Weile an einem Projekt zur umgekehrten Richtung gearbeitet, d.h. intermediale Bezüge auf das Computerspiel innerhalb der Literatur. Insofern hat sich die Recherche auch eher auf das konzentriert, und alles, was ich jetzt sage, ist eh furchtbar wischiwaschiwissenschaftlich, um Cs' Wort zu missbrauchen. Aber um mal ganz allgemein zu bleiben: So ganz furchtbar viel, das GENAU das behandelt, was du meinst, ist mir nicht bekannt. Liegt aber vielleicht auch daran, dass Computerspiele, die sich auf konkrete literarische Werke beziehen, ja auch nicht so extrem zahlreich sind. (Und falls dann von "Klassikern" die Rede sein soll, sieht's nochmal düsterer aus... "The Great Gatsby", "Dr Jekyll and Mr Hyde", "Dante's Inferno", sonst noch was?) Ich kenn einiges nicht-wissenschaftliches, z.B. "Goodfellow, Troy S. „Other People's Stories: An Examination of Gaming's Literary Adaptations“, 04.03.2009, URL: http://www.gamespy.com/articles/107/1074192p1.html[Stand: 07.10.2010]. Und es gibt eine amerikanische jüngere Ausgabe der "Divina Comedia" resp. des "Infernos", in der einer der Game Designer ein Vorwort beigesteuert hat und sich zur Umsetzung äussert. Natürlich aber auch nicht-wissenschaftlich. Wissenschaftlich kenne ich noch "Dovey, Jonathan/Kennedy, Helen W., “Playing the Ring: Intermediality and Ludic Narratives in the Lord of the Rings Games, in: Mathijs, Ernest (Hg.), The Lord of the Rings. Popular Culture in Global Context, London 2006, S. 254-269." ...und zwei, drei Texte, in denen die Gegenrichtung (Computerspiel => Literatur) thematisiert wird. 


IchMindestens level 6 egghead.


Freund N.Falls man aber den Fokus weitet und nicht mehr intermedialen Bezüge zu konkreten (Einzel-)Texten liegt, findet man natürlich viel mehr, aber nur wenig Spezifisches... Überlegungen zum Link zwischen Literatur und Computerspiel gab es tatsächlich viel am Anfang der Game Studies, wo ein medienkomparatistischer Ansatz ja gerne die behelfsmässige Brücke zum unbekannten Medium war... Einsprengsel dazu finden sich halt ein wenig überall, bei den bereits erwähnten Murray und Ryan, bei Mela Kochers Stanzel-Erweiterung, bei Aarseths "Cybertext" bis zu Manovichs "Language of New Media" (wo das Computerspiel mit literarischen "Raumerzählungen" verglichen wird)... aber da wird dann eh gleich ein ganz anderes Fass aufgetan, auf dem dann irgendwie gross noch "Convergence Culture" und "Intermedialitätsforschung" stehen muss. Und so richtig konkret oder gar systematisch ist das selten gemacht worden, glaube ich. (Game Studies anhand von Einzeltexten und close analysis scheint man sich ja bislang kaum zu trauen.) Hab's ja auch als Forschungslücke ausgemacht, damals, obwohl die Idee, die noch marginalere Gegenrichtung zu untersuchen dann irgendwann gescheitert ist daran, dass mir das Ganze tatsächlich zu narratologisch im engen Sinn zu werden drohte. (Obwohl, kleines addendum, die Narratologie in den Game Studies etwas unfair behandelt wird -- zumindest das, was da unter dem Signum der post-classical narratology seit Längerem gemacht wird, ist durchaus nicht engstirniger als manches, das gerade im deutschen Raum die Medienwissenschaft in ihrem Standesdünkel dem Computerspiel zumutet...Marie-Laure Ryan insbesondere hat viel Gutes gemacht, ihr "Avatars of Story" z.B. könnte z.B. für diese Forschungsperspektive durchaus auch interessant sein.) Und der Vollständigkeit halber sag ich jetzt noch: Die Richtung, in die sich meine Diss. schlussendlich bewegt hat, fällt evt. in das, was dir vorschwebt, insofern als ich "Stalker - Shadow of Chernobyl" unter anderem auch auf die Frage hin untersuche, welche Spuren "Picknick am Wegesrand" darin hinterlassen hat. So, jetzt aber fertig.


Ich: Level 7.


Freund S.:  Schnell B drücken, bevor es sich weiterentwickelt.


IchEs geht, ganz konkrekt, um einen Artikel für Zeit Online, im Literaturteil. Ich hatte vage vorgschlagen, mal was über digitale Spiele, die Literatur adapatieren zu machen. Um die Frage: Was machen die da eigentlich? Was sagt mir das über beide Werke? Wie hängen die zusammen? Was ich finde, sind immer nur Abgrenzungen, die über das eine Medium Spezifika des anderen entwickeln. Aber es gibt viel zu wenig Leute, die sagen: Das eine und das andere lassen sich so toll verschränken, da könnten wir großes mit machen. Obwohl es ja ständig gemacht wird. Siehe Dear Esther (wenn auch nicht als Adaption, trotzdem hochliterarisch), American McGees Alice, Dantes Inferno, diese ganzen Textadentures, wo die Autoren noch die Texte für die Adaption ihres eigenen Werkes entwickelt haben.


Ich: BBBBB


Freund M.:  The Hitchhiker's Guide to the Galaxy. Transmedia Storytelling avant les lettres.


Freund N.Ah, für das Feuilleton wären dann evt. andere Sachen doch auch noch interessant? Zu Hyper- und Cybertext wurde weiland ja viel geschrieben, könnte mir vorstellen, dass das in Zeiten von Twine und Co. auch wiederentdeckt wird. Und fürs schöngeistige Publikum evt. interessant: Wie Burkhard Spinnen Dorothee Elmigers "Einladung an die Waghalsigen" beim Bachmann-Preis als "Text im Zeitalter des Computerspiels" präsentiert hat, vgl. hier: mms://apasf.apa.at/nocms-worldwide/kaernten_tddl_2010_elmiger_disk.wmv Interessant vor allem auch, wie absolut beliebig da Aspekte, die in der Literaturtheorie längst unter anderen Namen bekannt waren, plötzlich als Verweise auf das neue Medium verstanden wurden. (Fun fact am Rande: Als Inspiration für Elmigers Schauplatz diente angeblich Centralia, PA, das auch Inspiration war für Silent Hill.) Spinnen macht das sowieso gern, er fand auch, dass Murakamis "Hard-Boiled Wonderland" quasi ein Computerspiel sei. Dieter E. Zimmer, ehrenfester Nabokov-Übersetzer, fand auch, dass "Pale Fire" ein Computerspiel avant la lettre sei. Und ich hab vor langer Zeit auch mal versucht, so was wie den "Videogame-Realismus" in Comic und Literatur zu beschreiben... vieles davon ist sehr unausgegoren, aber es war mal ne Idee, vgl. da: http://www.nahaufnahmen.ch/tag/videogame-realismus/ Wie gesagt, es ist nicht ganz die Richtung, die du angehen willst, aber als Aufhänger oder für einen Nebensatz evt. doch zu gebrauchen. Jetzt geh ich aber in die Ferien. Gruss und so.


Freund N.Doch noch was: William Burroughs hat meines Wissens mal an nem Computerspiel mitgearbeitet, die Adaption von "I Have No Mouth But I Must Scream" soll sehr intetessant sein, und evt.sind die BioWare-Writer , die Novelizations zu den von ihnen mitentwickelten Spielen schreiben, als Grenzgänger zwischen den Medienformen auch Gedankenanstubser irgendeiner Art. Damit ist der Assoziationsblaster jetzt aber wirklich leergeschossen. Sorry für den Monolog!


Ich:  Großartiger Monolog. Mal sehen, was sich draus machen lässt - ich schreibs jetzt mal, und schicks die Tage los.


Freund C.:  »I Have No Mouth But I Must Scream« ist verbuggt und ohne Walkthrough kaum zu lösen, aber tatsächlich sehr gut. Ein bisschen wie eine frühe Version vom »The Walking Dead Game«. Viele ambivalente, in jedem Fall fragwürdige Entscheidungen und episodischer Aufbau. Aber von Burroughs wüsste ich jetzt nicht, dass er da mitgemacht hat. Die literarische Vorlage ist von Harlan Jay Ellison. [http://en.wikipedia.org/wiki/I_Have_No_Mouth,_and_I_Must_Scream_(video_game)]


Freund C.: Dass ich sehr skeptisch gegenüber Literaturadaptionen im Computerspiel bin, dürfte ja klar geworden sein. Zu oft (eigentlich nahezu ausschließlich) wird die Literatur da einfach nur als E-Kultur-Folie benutzt, ohne wirklich Literary Game Design zu betreiben. Transmedia Storytelling klappt da tatsächlich viel besser und der »Hitchhiker's Guide« ist auch eines der besten Beispiele dafür. Ein anderer Favorit von mir: »Bad Mojo« ist Franz Kafkas »Die Verwandlung« als Raumerzählung. [http://en.wikipedia.org/wiki/Bad_Mojo]


IchAdaption sollte, das sage ich sicher auch, im Idealfall Buch und Spiel bereichern, oder zumindest dem Buch etwas hinzufügen. Wie eine gute Filmadaption. Ich glaube, in der Verbindung ist großes zu holen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen