Das hier ist ein Text, mit dem ich mich für das CeBIT-Bloggerstipendium 2013 bewerben will, und angeblich funktioniert das ganz einfach, in dem ich diesen Link einfüge. Spannend, das, und hoffentlich klappts auch.
Es ist ein Text, in dem ich ein bisschen über die Zukunft von Retro-Design fabuliere, und die Frage, aus welcher Zeit das ganze Zeug der Zukunft kommen wird. Ich weiß, bis zu einem gewissen Punkt ist das Scharlatanerie, aber ich glaube auch, dass man aus seiner eigenen Sozialisation nur schwer herauskommt. Also los. Der Artikel. Hier drunter steht er, und er geht so:
Zurück
in die Zukunft
Retro
und Zukunft. Wilde Spekulationen über Geräte und Software von
morgen.
Ich weiß nicht genau, was diese Grafik bedeutet. Quelle. |
Ein
Einstieg, um die Nostalgie in Wallung zu bringen: Es ist Dezember
1992, ein Samstag, ich bin neun Jahre alt und habe den Nachmittag
damit verbracht, in den örtlichen Geschäften Weihnachtsgedichte
aufzusagen, weil es dafür Freikarten für das Karussell auf dem
Weihnachtsmarkt gibt. Es ist 16:00 Uhr, und ich muss nach Hause, weil
um 16:25 der Disney Club anfängt, und das will ich auf keinen Fall
verpassen.
Der Disney Club war mein erstes festes Fernsehdate, und wenn ich heute im Freundeskreis nur die Namen Stefan, Ralf und Antje sage, und dazu die ein oder andere Titelmelodie vor mich hin summe, kann ich sicher sein, dass die Antwort darauf begeistertes Gekreische ist, und eine längere Unterhaltung über die Erinnerungen, die ich damit ausgelöst habe.
Der Disney Club war mein erstes festes Fernsehdate, und wenn ich heute im Freundeskreis nur die Namen Stefan, Ralf und Antje sage, und dazu die ein oder andere Titelmelodie vor mich hin summe, kann ich sicher sein, dass die Antwort darauf begeistertes Gekreische ist, und eine längere Unterhaltung über die Erinnerungen, die ich damit ausgelöst habe.
Meine
Erinnerung an diese Szene von 1992 ist heute von einem Video in
meinem Facebook-Stream getriggert worden: Alicia Keys singt mitvollem Ernst, mit der ganzen Power dieser Soul-Stimme das Thema von Disneys „Gummibärenbande“, und schafft es damit innerhalb eines
Monats auf gut 450 000 Views. Es kommt mir vor, als würden in
letzter Zeit in meine Facebook-Stream so etwas öfter passieren: Ein paar Tage vorher postete jemand einen Link zu
„Skrillexquest“, ein Musikmarketingvehikel des Elektro-Musikers Skrillex, verkleidet als Spiel, das in den letzten Wochen seine
Runden durch die Blogs dreht. Das Spiel lehnt sich sehr stark an die
Zelda-Reihe an, was wiederum ein Spiel war, dass wir spielten, wenn
wir nicht zufällig Disney Club schauten.
Plötzlich
kaufkräftig und werberelevant
Ich
bin 1983 geboren, und werde im nächsten Jahr 30. Mal ganz abgesehen
davon, dass das ein eigenartiges Gefühl ist, plötzlich einem Alter
zu sein, das ich immer als das Alter meiner Eltern betrachtet habe,
beobachte ich, wie gleichaltrige Freunde und Bekannte – meistens
irgendwo im Kulturbereich aktiv, meistens machen sie irgendwas mit
Medien – langsam, aber sicher beginnen, an Hebeln zu sitzen. Ihre
Ausbildung abzuschütteln und in die Berufe zu strömen. Ich
beobachte, wie meine Generation beginnt, einer Zeit ihren Stempel
aufzurücken. Zum einen, weil sie es wollen, zum anderen, oder weil
sie plötzlich zu einer kaufkräftigen werberelevanten Zielgruppe
geworden ist, die ihre eigenen Produkte fordert.
Wir
alle, oder zumindest die meisten von uns – und das gilt
wunderbarerweise international - haben intensive Erinnerungen an eine
Zeit, in der wir NES oder SNES spielten (oder mit irgendwas von
SEGA), in der wir Mixtapes für unsere ersten Lieben aufnahmen, in
der wir den Disney Club schauten, das, und hunderte kleiner Sachen
mehr.
Nostalgietrigger. Bild von hier. |
Die
Dinge, die wir mögen haben Einfluss auf die Dinge, die wir machen,
und diejenigen, die wir wollen. Das kann ins Unwichtige und
Lächerliche gehen, wie iPhone-Hüllen, die nach GameBoys oder
Mixtapes aussehen. Das kann ein offensichtlicher Versuch sein,
denselben Kram nochmal zu verkaufen, wie einen alten, aufgemotzten
Atari oder einen C64. Das kann eine Innovation sein, die einen mit
einem vagen Kopfnicken in Richtung Vergangenheit beruhigt. So was wie
zum Beispiel die Ähnlichkeit zwischen dem Wii-Contoller und dem
NES-Controller, zwischen dem WiiU-Controller und dem Game Gear bzw.
zwischen dem Nintendo DS und dem Game&Watch. Der Taschenrechner auf dem iPhone sieht aus wie ein altes Modell von Braun. Das ist ein Move,
der im Prinzip nichts sagt als: Wir machen zwar alles neu, aber wir
haben nicht vergessen, was ihr früher geliebt habt. Eine
Versicherung, dass es wieder so gut, so intensiv wird wie früher.
Ein Verkaufsargument, dass Skepsis mit Nostalgie ausräumen soll.
Die
andere Art der Innovation
Pixel-Power. Bild von hier. |
Das
kann aber auch in richtungsweisende Trends ausarten.
Es gibt mehr pixelige Indie-Games in Retro-Optik, als ich aufzählen
kann, eine offensichtliche Hommage an NES und SNES-Zeiten von
Entwicklern, die meistens genau das Alter haben, mit diesen Konsolen
aufgewachsen zu sein. Bei vielen dieser Spiele ist das nur die Basis
für mehr und größeres: Hinter „Braid“ verbirgt sich
großartiges Storytelling. „Super Meat Boy“ bastelt sich eine
Spielphysik zurecht, die inzwischen Millionen mal kopiert worden ist.
„The Sea Will Claim Everything“ ist ein philosphischer Essay von
einem, der zuviel „Monkey Island“ gespielt hat. „Amnesia“ und
„Lone Survivor“ definieren Survial-Horror neu als als: Grafik
egal, was du fühlst, zählt. Das ist eine Richtung, die für
Software-Entwicklung, vor allem aber für Spiel-Entwicklung komplett
neu ist: Es geht nicht darum, die Technik bis zu ihren Grenzen
auszureizen. Es geht darum, was die Software tut, nicht um das, was
sie kann. Welche Geschichte sie erzählt, welche Erinnerungen sie
weckt: Es ist das erste Mal, dass in großem Stil mit der der
Ästhetik der Gamegeschichte herumgespielt wird, um bestimmte Effekte
zu erzielen. Innovation heißt dann nicht mehr: Technische
Möglichkeiten ausreizen. Sondern: Wir bauen uns die Dinge,
die wir in der Vergangenheit geliebt haben, und verbessern sie
behutsam. Wir bauen uns, was wir uns früher gewünscht hätten, und
zitieren dafür aus einem ganz bestimmten Erinnerungspool, und irgendwann geht es nicht mehr nur um die pure Nostalgie: Da wächst dann aus der Erinnerung etwas ganz neues und eigenes.
Wo
die Sachen herkommen
Es
heißt aber auch: Wir bauen uns die Zukunft, die wir schon kennen,
und einfach noch nicht hatten, sei es, weil niemand darauf gekommen
ist, oder weil es die technischen Möglichkeiten noch nicht gab. Das
geht soweit, dass wir uns die Zukunft nachbauen, wir wir aus Filmen
kennen. Videospiele ohne die Hände zu benutzen? Videokonferenzen? Sprachgesteuerte Fernseher, die mehrere Kanäle gleichzeitig anzeigen können? Haben wir alles in den letzten Jahren bekommen. Gab es aber
auch schon in „Zurück in die Zukunft 2“. Tablets? Gab es in„Star Trek – The Next Generation“. Undsoweiter.
Das
sind alles Dinge, die aus einer ganz bestimmten Zeit stammen –
unserer Zeit. Und das ist sicherlich auch die Ecke, aus der die
Geräte und die Software der Zukunft kommen. Weil wir diejenigen
sind, die Sachen entwickeln werden, die wir kennen und schon immer
haben wollten, und weil wir aus unserer eigenen Sozialisation nicht herauskommen.
Das heißt nicht, dass alles
Neue immer auch einen Hauch vom Alten hat, obwohl das sicherlich
nicht verkehrt ist, wenn man intensiv genug danach sucht. Das heißt
nur, dass in den Hinterköpfen derjenigen, die in den nächsten
Jahren tonangebend für Innovationen sein werden, eine ganz bestimmte
Ästhetik, ganz bestimmte, andere und neue Ideen stecken, die
irgendwo zwischen dem Disney Club und der goldenen Zeit der
Nintendo-Konsolen entstanden sind. Es geht nicht darum, das Nächste zu erfinden. Es geht darum, es zu finden.
tl;dr
Wer
Dinge für die Zukunft bauen will, findet genug davon in der
Vergangenheit der Generation, die gerade erwachsen wird und ins Berufsleben eintritt.
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