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2010 war ich auf einem Daniel-Küblböck-Konzert, das heißt, ich schob meinen Presseausweis vor, weil ich ich herausfinden wollte, dass verdammtnochmal der jetzt eigentlich so macht. Und einfach mal, um zu sehen, ob es klappt, fragte ich noch nach einem Interviewtermin. Lustigerweise klappte das, und außerdem durfte ich noch auf das Konzert.
Tatsächlich war es gar nicht so schlimm, wie gedacht, eigentlich fand ich mehr die Fans erstaunlich, also eigentlich die Tatsache, dass die meisten Küblböck-Fans offenbar ältere Damen sind, die auf der Suche nach einem Ersatzschwiegersohn sind, was die ganze Angelegenheit zu einem der skurillsten Konzerte machte, auf dem ich je war.
Tatsächlich war es gar nicht so schlimm, wie gedacht, eigentlich fand ich mehr die Fans erstaunlich, also eigentlich die Tatsache, dass die meisten Küblböck-Fans offenbar ältere Damen sind, die auf der Suche nach einem Ersatzschwiegersohn sind, was die ganze Angelegenheit zu einem der skurillsten Konzerte machte, auf dem ich je war.
Außer mir waren noch zwei andere Pressevertreter da, und zum Glück hatte man uns zusammengesetzt, so dass wir uns hin und wieder in die Augen schauen konnten und uns stumm fragen, in was genau wir da eigentlich hineingeraten waren.
Wir alle drei lieferten unsere Texte ab, und das interessanteste an der ganzen Sache war, dass die Kritiken und Reportagen, die wir geschrieben hatten, in Daniel-Küblböck-Fanforen haarklein analysiert wurden, mit einer gewaltigen Fanforenenergie jeder Satz, jeder Punkt, jedes Komma interpretiert wurden[leider ist das ganze schon eine Weile her, und ich finde nur noch einen Link - es waren, wenn ich mich richtig erinnere, mindestens drei oder vier dieser Textanalyseforen]. Und dass man dort mit meinem Text nichts anfangen konnte - ein paar meinten, er sei despektierlich, ein paar meinten, doch eher nicht, aber größtenteils war man sich unsicher, was das eigentlich sollte. Ich weiß es auch nicht mehr genau. Aber ich erzähle nach wie vor gerne von dem Tag, als die Kommunikation zwischen mir und Daniel Küblböck gründlich schiefging.
Plätzchen für Daniel Küblböck
Ob der Daniel die wohl mag?“, fragt Ilse, und schiebt der Kartenverkäuferin zwei Gläser mit Plätzchen über den Tisch. „Die mag der Daniel“, sagt die Kartenverkäuferin, „Ich tu die mal zu den anderen.“
Sie fummelt die Gläser in eine Tüte, die neben der Geldkassette steht. Die Tüte ist voll, schon ein bisschen ausgebeult. Ilse wird in Küblböck-Fanforen immer wieder als „besonders treuer Fan“ bezeichnet, wobei unklar ist, woher diese Differenzierungen jetzt genau kommen. Die letzten zwei Tage hat Ilse jedenfalls über die Plätzchen getwittert, die sie gerade weitergereicht hat.
Eine Viertelstunde für die Fragen
Es schneit in Hildesheim, wo das Konzert stattfinden soll. Nicht stark, aber immer mal wieder, es ist kalt geworden. Der Termin fürs Pressevorgespräch mit Küblböck ist um viertel nach drei am Tag des Konzertes angesetzt. Einlass ist zwar erst um sieben, aber zehn, zwanzig Menschen warten schon auf der Treppe vor der Halle, zusammengedrängt gegen die Kälte. In der Halle selbst werden noch Stühle geschoben, steht die Band mit Küblböck als kleines Grüppchen in der Ecke, jemand hängt ein Banner mit einem riesigen, sonnenbebrillten Küblböck auf. Das Pressegespräch findet im Backstage-Raum statt, Käsebrötchen liegen in einer Ecke auf einem Edelstahl-Tablett. Im Hintergrund sitzt als Aufpasserin eine Frau von Küblböcks Künstleragentur „Positive Energie“, von der er sich selbst vertreten lässt. Sie schaut von Zeit zu Zeit auf ihre Uhr, eines dieser damenhaften, goldenen Dinger mit schlanken Gliedern. Eine Viertelstunde Zeit für Fragen, sagt sie.
Und der Hass?
Na dann. Wie ist er mit dem Hass umgegangen, der ihm seit DSDS-Zeiten - und eigentlich immer noch – entgegenschlägt?
„Ach“, sagt Küblböck, „da muss man drüber stehen.“ Er lächelt. Er hat jetzt kurze Haare. Kontaktlinsen, wahrscheinlich auch. Oder die Brille hat er von Anfang an nicht gebraucht, ein Kostümteil, dass er jetzt abgelegt hat. 2007 war der Imagewechsel. Schon eine Weile her, seit Küblböck aus der Versenkung wieder aufgetaucht ist.
Wie geht es ihm jetzt?
„Gut“, sagt Küblböck, „mir geht es gut.“ Gerade sei er aus Indien zurück, eine Nordindien-Tour, durch Rajastan, hauptsächlich. „Ich bin noch super geplättet von den Eindrücken.“ Wieder lächelt er. Das bayerisch rollende R in der Stimme. Eigentlich ganz charmant. Ein bisschen überdreht vielleicht. Seine Augen wandern immer durch den Raum.
Warum denn jetzt bitte Jazz?
„Ich war in einer künstlerischen Findungsphase“, sagt er, „und habe viel Musik mit Jazz-Freunden gemacht. Das ist wie mit exotischem Essen, man kommt auf den Geschmack.“ Er holt Atem. Das ist vertrautes Terrain, jetzt kommen die Pressesätze. „Ich habe ausprobiert“, sagt er, „und meine Flügel ausgestreckt. Im Moment mache ich auch eher deutschsprachigen Chanson mit Pop-Elementen.“ Und wieder das Lächeln, ein bisschen irritierend und glatt wirkt es mittlerweile. Nochmal die Vergangenheit, also.
Jetzt mal ernsthaft, der Hass, wie geht man damit um als 18-jähriger?
„Ich war schon immer jemand, der bei sowas gesagt hat: Jetzt erst Recht!“
War Dieter Bohlen mal auf einem seiner Konzerte, seit damals?
Er lacht. „Wir laufen uns auf Mallorca immer mal über den Weg“, sagt Küblböck. „Jazz, das ist nicht so meins, sagt der Dieter immer, aber der findet es gut, wenn einer seinen eigenen Weg macht.“ Das Lächeln. Die Agenturfrau schaut auf ihre Uhr. Die Viertelstunde ist noch nicht um. Was soll's. Danke für das Gespräch. Viel Erfolg heute Abend.
Lampions gleich Schrebergarten
Punkt 19 Uhr strömen die Menschen in die Halle, viele kennen sich, begrüßen sich, stehen in Grüppchen zusammen. Viele ältere Frauen sind dabei. „Die Karten sind überall in Deutschland verkauft worden.“, sagt die Agenturfrau, die jetzt eine riesige Kamera um den Hals hängen hat. „Aber auch im Umland von Hildesheim“, schiebt sie schnell hinterher, „war die Resonanz sehr groß.“ Die Stuhlreihen sind aufgebaut, Spendendosen von der AIDS-Hilfe wandern im Raum herum. Das Küblböck-Fan-Magazin „Im Endeffekt“ wird verkauft. Über der Bühne hängen bunte Lampions, klar, Küblböcks aktuelles Album heißt „Schrebergarten“, Lampions gleich Schrebergartenidylle, macht Sinn. In einer Ecke ist ein Merchandise-Tisch aufgebaut, es gibt Kalender, Daniel in Paris, auf dem Titelblatt ist Küblböcks Gesicht, im Hintergrund – perspektivisch etwas kleiner - der Eiffelturm. Um Punkt 20 Uhr, offizieller Konzertbeginn, beginnt, als wäre es abgesprochen, in den vorderen Reihen rhythmisches Klatschen. Um fünf nach betritt die Band die Bühne. Um sieben nach kommt Küblböck. Er sei ja in Indien gewesen, teilt er dem Publikum mit, deshalb hätten er und die Band einen Bindi auf der Stirn. Und für heute Abend würde er den Schrebergarten in Shivagarten umbenennen.
Die Verwandlung
Die Verwandlung ist interessant. Nochmal das Pressegespräch, Küblböcks Sätze, die perfekten Presseinfosätze, nicht zuviel Information, nicht zuwenig, genau austariert, das alles, gut formuliert, sofort druckreif: glatt gerieben, aber eben nicht auswendig gelernt. Der Mann ist Medienprofi, klar, aus dem DSDS-Zweitverwertungskarusell kommt man entweder als Profi wieder heraus, oder gar nicht. Dann Küblböck auf der Bühne, der sich als Dilletant gibt: Ein netter, leicht naiver junger Mann, der den älteren Damen von seinem Urlaub erzählt, der hin und wieder Wortfindungsschwierigkeiten hat, und das Publikum befragen muss, wie denn „diese indischen Dinger auf der Stirn“ heißen. Der aber andererseits die Songs zwischen langsam und schnell in auf maximalen Effekt kalkulierter Reihenfolge spielt. Der seine Urlaubsgeschichten zwischen den Liedern perfekt dramaturgisiert erzählt, so dass sie eine zusammenhängende Geschichte ergeben. Der ein gnadenloser Bandleader ist, der seine Band mit einer unauffälligen Handbewegung zum Solospielen auffordert, und sie mit der nächsten zum Schweigen bringt. Der dann schließlich das Publikum so sehr im Griff hat, dass sie schon aufstehen und klatschen oder – je nachdem – die Feuerzeuge und Knicklichter rausholen und damit herumwedeln, bevor er sie dazu auffordern kann. Die Musik selbst ist dann gar nicht so interessant, leicht schräge deutsche Texte mit Reimen aus dem Reimwörterduden, solide musikalische Reihenhäuser, eher öde, aber es steht schon, man kann drin wohnen: Standard-Harmonien, tausendmal gehört, aber das heißt ja nicht, dass sie nicht wirken. Was Küblböck als „Jazz“ bezeichnet ist zwar eigentlich Boogie, aber wollen wir da mal nicht kleinlich sein. Das ist es auch gar nicht, weshalb die Leute gekommen sind.
Ein Haufen Ilses
In der Pause werden die Plätzchen auf der Bühne aufgebaut, ein richtiger kleiner Gabentisch, man könnte es auch Schrein nennen, neben dem Keyboard. Küblböck freut sich, fragt, ob er denn mit „denen da“ - er meint die Band – teilen dürfe, die erste Reihe, bevölkert von den Plätzchenbäckern, gewährt ihm das großzügig. Und dann singen sie wieder mit. Und je weiter das Konzert fortschreitet, desto mehr wird klar: Diese Leute sind nicht das erste Mal auf einem Küblböck-Konzert: Sie können nicht nur die Texte Wort für Wort auswendig. Sie antizipieren nicht nur die Aktion, die sie gerade ausführen sollen – aufstehen, hinsetzten, Feuerzeug und so weiter – nein, sie kennen die Setlist auswendig, sie wissen genau, welches Lied als nächstes kommt. Und welche Stelle sie mitsingen sollen. Ein bisschen ist es, als wäre man zur Familienfeier einer fremdem Familie eingeladen, auf der man niemanden kennt, und die familieninternen Rituale erst noch verstehen muss. Als wäre Küblböck der nette Schwiegersohn, den alle mögen, der jetzt von seinem Urlaub erzählen muss und den die Tanten und Großeltern mit Plätzchen vollstopfen, weil er ja so dünn geworden ist. Es ist nicht nur eine Ilse im Publikum. Das ganze Publikum besteht aus Ilses, und sie werden auch wieder zum nächsten Konzert kommen. Und zum nächsten. Und zu dem danach. Dagegen kann niemand etwas tun. Weil es ja immer so nett ist mit dem Daniel.
Plätzchen für Daniel Küblböck
Ob der Daniel die wohl mag?“, fragt Ilse, und schiebt der Kartenverkäuferin zwei Gläser mit Plätzchen über den Tisch. „Die mag der Daniel“, sagt die Kartenverkäuferin, „Ich tu die mal zu den anderen.“
Sie fummelt die Gläser in eine Tüte, die neben der Geldkassette steht. Die Tüte ist voll, schon ein bisschen ausgebeult. Ilse wird in Küblböck-Fanforen immer wieder als „besonders treuer Fan“ bezeichnet, wobei unklar ist, woher diese Differenzierungen jetzt genau kommen. Die letzten zwei Tage hat Ilse jedenfalls über die Plätzchen getwittert, die sie gerade weitergereicht hat.
Eine Viertelstunde für die Fragen
Es schneit in Hildesheim, wo das Konzert stattfinden soll. Nicht stark, aber immer mal wieder, es ist kalt geworden. Der Termin fürs Pressevorgespräch mit Küblböck ist um viertel nach drei am Tag des Konzertes angesetzt. Einlass ist zwar erst um sieben, aber zehn, zwanzig Menschen warten schon auf der Treppe vor der Halle, zusammengedrängt gegen die Kälte. In der Halle selbst werden noch Stühle geschoben, steht die Band mit Küblböck als kleines Grüppchen in der Ecke, jemand hängt ein Banner mit einem riesigen, sonnenbebrillten Küblböck auf. Das Pressegespräch findet im Backstage-Raum statt, Käsebrötchen liegen in einer Ecke auf einem Edelstahl-Tablett. Im Hintergrund sitzt als Aufpasserin eine Frau von Küblböcks Künstleragentur „Positive Energie“, von der er sich selbst vertreten lässt. Sie schaut von Zeit zu Zeit auf ihre Uhr, eines dieser damenhaften, goldenen Dinger mit schlanken Gliedern. Eine Viertelstunde Zeit für Fragen, sagt sie.
Und der Hass?
Na dann. Wie ist er mit dem Hass umgegangen, der ihm seit DSDS-Zeiten - und eigentlich immer noch – entgegenschlägt?
„Ach“, sagt Küblböck, „da muss man drüber stehen.“ Er lächelt. Er hat jetzt kurze Haare. Kontaktlinsen, wahrscheinlich auch. Oder die Brille hat er von Anfang an nicht gebraucht, ein Kostümteil, dass er jetzt abgelegt hat. 2007 war der Imagewechsel. Schon eine Weile her, seit Küblböck aus der Versenkung wieder aufgetaucht ist.
Wie geht es ihm jetzt?
„Gut“, sagt Küblböck, „mir geht es gut.“ Gerade sei er aus Indien zurück, eine Nordindien-Tour, durch Rajastan, hauptsächlich. „Ich bin noch super geplättet von den Eindrücken.“ Wieder lächelt er. Das bayerisch rollende R in der Stimme. Eigentlich ganz charmant. Ein bisschen überdreht vielleicht. Seine Augen wandern immer durch den Raum.
Warum denn jetzt bitte Jazz?
„Ich war in einer künstlerischen Findungsphase“, sagt er, „und habe viel Musik mit Jazz-Freunden gemacht. Das ist wie mit exotischem Essen, man kommt auf den Geschmack.“ Er holt Atem. Das ist vertrautes Terrain, jetzt kommen die Pressesätze. „Ich habe ausprobiert“, sagt er, „und meine Flügel ausgestreckt. Im Moment mache ich auch eher deutschsprachigen Chanson mit Pop-Elementen.“ Und wieder das Lächeln, ein bisschen irritierend und glatt wirkt es mittlerweile. Nochmal die Vergangenheit, also.
Jetzt mal ernsthaft, der Hass, wie geht man damit um als 18-jähriger?
„Ich war schon immer jemand, der bei sowas gesagt hat: Jetzt erst Recht!“
War Dieter Bohlen mal auf einem seiner Konzerte, seit damals?
Er lacht. „Wir laufen uns auf Mallorca immer mal über den Weg“, sagt Küblböck. „Jazz, das ist nicht so meins, sagt der Dieter immer, aber der findet es gut, wenn einer seinen eigenen Weg macht.“ Das Lächeln. Die Agenturfrau schaut auf ihre Uhr. Die Viertelstunde ist noch nicht um. Was soll's. Danke für das Gespräch. Viel Erfolg heute Abend.
Lampions gleich Schrebergarten
Punkt 19 Uhr strömen die Menschen in die Halle, viele kennen sich, begrüßen sich, stehen in Grüppchen zusammen. Viele ältere Frauen sind dabei. „Die Karten sind überall in Deutschland verkauft worden.“, sagt die Agenturfrau, die jetzt eine riesige Kamera um den Hals hängen hat. „Aber auch im Umland von Hildesheim“, schiebt sie schnell hinterher, „war die Resonanz sehr groß.“ Die Stuhlreihen sind aufgebaut, Spendendosen von der AIDS-Hilfe wandern im Raum herum. Das Küblböck-Fan-Magazin „Im Endeffekt“ wird verkauft. Über der Bühne hängen bunte Lampions, klar, Küblböcks aktuelles Album heißt „Schrebergarten“, Lampions gleich Schrebergartenidylle, macht Sinn. In einer Ecke ist ein Merchandise-Tisch aufgebaut, es gibt Kalender, Daniel in Paris, auf dem Titelblatt ist Küblböcks Gesicht, im Hintergrund – perspektivisch etwas kleiner - der Eiffelturm. Um Punkt 20 Uhr, offizieller Konzertbeginn, beginnt, als wäre es abgesprochen, in den vorderen Reihen rhythmisches Klatschen. Um fünf nach betritt die Band die Bühne. Um sieben nach kommt Küblböck. Er sei ja in Indien gewesen, teilt er dem Publikum mit, deshalb hätten er und die Band einen Bindi auf der Stirn. Und für heute Abend würde er den Schrebergarten in Shivagarten umbenennen.
Die Verwandlung
Die Verwandlung ist interessant. Nochmal das Pressegespräch, Küblböcks Sätze, die perfekten Presseinfosätze, nicht zuviel Information, nicht zuwenig, genau austariert, das alles, gut formuliert, sofort druckreif: glatt gerieben, aber eben nicht auswendig gelernt. Der Mann ist Medienprofi, klar, aus dem DSDS-Zweitverwertungskarusell kommt man entweder als Profi wieder heraus, oder gar nicht. Dann Küblböck auf der Bühne, der sich als Dilletant gibt: Ein netter, leicht naiver junger Mann, der den älteren Damen von seinem Urlaub erzählt, der hin und wieder Wortfindungsschwierigkeiten hat, und das Publikum befragen muss, wie denn „diese indischen Dinger auf der Stirn“ heißen. Der aber andererseits die Songs zwischen langsam und schnell in auf maximalen Effekt kalkulierter Reihenfolge spielt. Der seine Urlaubsgeschichten zwischen den Liedern perfekt dramaturgisiert erzählt, so dass sie eine zusammenhängende Geschichte ergeben. Der ein gnadenloser Bandleader ist, der seine Band mit einer unauffälligen Handbewegung zum Solospielen auffordert, und sie mit der nächsten zum Schweigen bringt. Der dann schließlich das Publikum so sehr im Griff hat, dass sie schon aufstehen und klatschen oder – je nachdem – die Feuerzeuge und Knicklichter rausholen und damit herumwedeln, bevor er sie dazu auffordern kann. Die Musik selbst ist dann gar nicht so interessant, leicht schräge deutsche Texte mit Reimen aus dem Reimwörterduden, solide musikalische Reihenhäuser, eher öde, aber es steht schon, man kann drin wohnen: Standard-Harmonien, tausendmal gehört, aber das heißt ja nicht, dass sie nicht wirken. Was Küblböck als „Jazz“ bezeichnet ist zwar eigentlich Boogie, aber wollen wir da mal nicht kleinlich sein. Das ist es auch gar nicht, weshalb die Leute gekommen sind.
Ein Haufen Ilses
In der Pause werden die Plätzchen auf der Bühne aufgebaut, ein richtiger kleiner Gabentisch, man könnte es auch Schrein nennen, neben dem Keyboard. Küblböck freut sich, fragt, ob er denn mit „denen da“ - er meint die Band – teilen dürfe, die erste Reihe, bevölkert von den Plätzchenbäckern, gewährt ihm das großzügig. Und dann singen sie wieder mit. Und je weiter das Konzert fortschreitet, desto mehr wird klar: Diese Leute sind nicht das erste Mal auf einem Küblböck-Konzert: Sie können nicht nur die Texte Wort für Wort auswendig. Sie antizipieren nicht nur die Aktion, die sie gerade ausführen sollen – aufstehen, hinsetzten, Feuerzeug und so weiter – nein, sie kennen die Setlist auswendig, sie wissen genau, welches Lied als nächstes kommt. Und welche Stelle sie mitsingen sollen. Ein bisschen ist es, als wäre man zur Familienfeier einer fremdem Familie eingeladen, auf der man niemanden kennt, und die familieninternen Rituale erst noch verstehen muss. Als wäre Küblböck der nette Schwiegersohn, den alle mögen, der jetzt von seinem Urlaub erzählen muss und den die Tanten und Großeltern mit Plätzchen vollstopfen, weil er ja so dünn geworden ist. Es ist nicht nur eine Ilse im Publikum. Das ganze Publikum besteht aus Ilses, und sie werden auch wieder zum nächsten Konzert kommen. Und zum nächsten. Und zu dem danach. Dagegen kann niemand etwas tun. Weil es ja immer so nett ist mit dem Daniel.
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