Ein Interview, dass leider nie veröffentlicht wurde. Eigentlich sollte es in einem Buchprojekt über Handwerk erscheinen, mit einem ganz schönen Konzept eigentlich: Interviews mit Handwerkern sollten Interviews mit Künstlern gegenübergestellt werden. Ich bin mir nicht ganz sicher, was man daraus hätte lernen können, irgendetwas sicherlich. Wahrscheinlich, dass die Arbeit dann doch nicht so unterschiedlich ist.
Leider ist das Buch nie zustande gekommen, Interviews geführt habe ich trotzdem. Zuerst wollte ich eigentlich einen Pizzabäcker interviewen, aber nachdem der nicht wollte, habe ich einen ganz normalen Bäcker genommen: Herr Könneker von der "Wiener Dampfbäckerei Könneker". Es ist relativ unbearbeitet, kaum dramaturgisiert, und man kann dem Interviewer, also mir, auch gut dabei zuschauen, wie er im dunkeln fischt. Es ist aber trotzdem...informativ, das ist vielleicht das richtige Wort.
"Ein guter Hefeteig muss sich anfühlen wie eine nackte Mädchenbrust"
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Das eine Mal besichtige ich Nachts, gegen Mitternacht, ein Uhr, die Backstube, in der mich ein kompakter, kräftiger Mann bei einer Zigarette kurz einweist: "So, hier kannste dich umkucken. Lauf einfach rum, kannst auch gerne alles fragen." Auf meine Bemerkung, dass es hier heiß sei, sagt er: "Drei Tshirts in der Nacht, das ist nix". Die Backstube macht den Eindruck einer präindustriellen Manufaktur: Einer macht den Teig, einer den Ofen, andere stanzen Brötchen, und im Hinterzimmer legt ein bärtiger Konditor mit traurigem Gesicht Erdbeeren auf einen Tortenboden. Eine Woche später, in der Bäckerei Könneker, erwarte ich Frau Könneker zum Interview. Es kommt: Herr Könneker ("Meine Frau ist hier zwar die Chefin, aber ich bin der gelernte Bäcker. Wollen Sie einen Kaffee, oder ein Stück Torte?") Er ist ein schlanker, großer Mann, das Hemd halboffen. 40 ist er vielleicht, der Mann, der da meinem Tonbandgerät erst skeptisch gegenübersitzt, dann aber nach und nach ins Reden kommt. Wir setzen uns in die Backstube, er isst ein Stück Erdbeertorte.
Vielleicht erkläre ich Ihnen erstmal, was ich hier eigentlich mache. Die Telefongespräche waren ja recht kurz...
Sie wollen mit mir über Brötchen reden, oder? Liegt ja auch nahe (lacht)
Gerade versuchen wir in Buch über Handwerker zu machen...
Mit Handwerk hab ich ja immer so ein Problem, wir machen ja alles, also, das Bäckerhandwerk ist ja ein klassisches Handwerk, aber wir machen ja auch Verkauf, wir sind auch ein Dienstleister, und wenn dann so Umfragen kommen, dann weiß ich nie, was ich da ankreuzen soll...Handwerk, Dienstleistung, Verkauf (lacht)
Ja, das geht meist so Hand in Hand, stimmt schon, aber das ist ja bei anderen Handwerken auch, das nützt einem ja nichts, wenn man was macht und das dann nicht verkauft. Also, wenn ich hier reinkomme, das erste, was ich da oben auf dem Schild lese, ist Wiener Dampfbäckerei. Ist das eine bestimmte, besondere Backtechnik, oder was hat es damit auf sich?
Also eigentlich backen heute alle mit Dampf. Mein Großvater hat damals den ersten Dampfbackofen in Hildesheim gebaut. Also, das ist ne lange Geschichte, das hat mein Großvater sich damals ausgedacht, 1913 war das, das war ja so, dass die Lehrlinge damals gewandert sind, und die Bäcker musste nach Wien wandern, das ist so, wie man heute in die Schweiz muss, wenn man was im Gastronomiebereich machen will, da hat er dann hier ne Bäckerei gekauft, Förke hieß die, und hat das dann Wiener Dampfbäckerei Könneker genannt. Also, mit Dampf, das ist nichts besonderes heute, aber wenn mans drüberschreibt, dann wollen die Kunden schon wissen, was das ist.
Da backt man tatsächlich mit Dampf?
Früher war das so, da hatte man nen Holzofen, da hat man den Teig einfach reingeschoben, und mit Dampf ist das so, da bekommt man eine schöne, glänzende Oberfläche hin und die Brötchen gehen besser auf, man kriegt eine gute Kruste...also das von meinem Großvater, das ging so, da wurde Wasser erhitzt mit Holz, und der Dampf ging dann über Röhren in den Ofen, in einem ganz bestimmten Winkel waren die Röhren angebracht, und der Dampf garte dann die Brötchen. Das gibt denen so einen gewissen Glanz, und die gehen ganz anders auf.
Und ich habe, als ich hinten in der Backstube war, gesehen, dass sie nicht nur drei Fillialen haben in Hildesheim, sondern auch ausliefern ans Dorint, an Altenheime...Ist das eine gewachsene Struktur?
Ja, das hat sich so ergeben mit der Zeit, ne? Wir hatten erst nur eine Filiale, und dann kamen da nach und nach die anderen zu. Wir hatten auch mal eine in Himmelsthür, aber da hat dann der Kollege Engelke ne Bäckerei aufgemacht, da hat sich das nicht mehr gelohnt, ja, und wir haben dann nachgefragt, und angefragt, ja, da hat sich das so ergeben.
Dieses Ausliefern an die Kunden und an die Filialen, das ist ja nur der letzte Schritt in der Kette, ich war ja um Mitternacht, eins rum in der Backstube hinten, da geht das ja gerade erst los mit dem Backen....
Ach, wir fangen schon um 10 an. Bis '95 gabs ja noch das Nachtbackverbot, das waren schöne Zeiten, da konnte man erst um vier morgens anfangen, und dann, im Sommer, da hat man auch mal das Tageslicht gesehen.
Ist das nicht anstrengend, immer nachts? Ich habe mal als Nachtwächter auf der CeBit gearbeitet, da wird man komisch mit der Zeit, wenn man immer nur nachts wach ist...
Am schlimmsten sind glaube ich so Wechselschichten, also, einmal spät, dann früh, und so weiter...nee, wenn man immer nur dieselbe Schicht macht, ich sach ma, da gewöhnt man sich dran.
Vorne in der Produktionskette, da ist ja erstmal der Teig. Ich habe gesehen, da ist immer nur einer dafür zuständig, den Teig zu machen. Ist das so? Haben Sie da festgelegte, ich sag mal, Rollen?
Nein, das wechselt immer mal durch...da ist einer für den Teig zuständig, einer für die Öfen, aber die wechseln dann auch mal, da kann jeder alles.
So ein Teig ist ja auch gar nicht so einfach...Wenn man sich zuhause einen Hefeteig macht, dann muss der ja erstmal gehen, da merkt man dann: So ein Teig ist ja in gewisser Weise lebendig. Braucht man da ein Gefühl für?
Das bekommt man irgendwann. Da gibt es ja auch einen Unterschied: Es gibt Teige, die gehen physikalisch auf, also dann unter Dampf im Ofen, da muss man aufpassen, wie heiß ist der Ofen, wie heiß ist der Dampf, das muss man regulieren, das sind dann Erfahrungswerte. So ein Hefeteig, der geht biologisch auf, der braucht einfach seine Ruhezeit, also, erstmal muss der geknetet werden, das ist auch anstrengend für den Teig, dann muss der erstmal ruhen, und dann nochmal geknetet, dann geht er auf, und wenn der gut ist, dann bilden sich da so kleine, weiße Ränder an der Schüssel. Dann ist der Teig geschmeidig, dann kann man den weiterverarbeiten. Eine Kundin kam mal, und die sagte: Ein guter Hefeteig, der muss sich anfühlen wie eine nackte Mädchenbrust. Da bin ich erstmal sutzig geworden, aber dann habe ich gesagt: Jawoll, stimmt. Manche Sachen kann man auch nicht erklären: Wenn Sie zwei Leuten dieselben Zutaten geben und die genau dasselbe machen lassen, dann bekommen Sie zwei völlig unterschiedliche Brote. Oder dem einen gelingts und dem anderen nicht. Das lässt sich manchmal nicht erklären. Das liegt im Gefühl, oder manchmal auch am Menschen.
Mit diesen Ruhezeiten, das lässt sich auch nicht schneller lösen?
Der Teig muss seine Zeit liegen, das geht nicht anders. Man kann das wohl schneller kneten, dann dauert das 8 Minuten mit einer Maschine, wenn man das von Hand macht, dauert das 15 Minuten, aber der muss ruhen. Das weiß ein guter Bäcker auch, das wissen die auch in der Backstube.
Ist dieser Betriebsablauf, also, Teig, Ruhezeiten, Backen usw., ist das fest geplant?
Also, ja, und Nein, das ist natürlich ein fester Ablauf, aber das ist nicht so, dass da jemand mit der Stoppuhr rumläuft, da würden sich die Bäcker auch ganz schnell gegen wehren. Manchmal braucht ein Teig eben länger, bis der gut ist, also, bis der fertig ist, mit seiner Ruhezeit, das muss man im Gefühl haben, da lassen sich die Zeiten nicht planen.
Trotzdem hatte ich den Eindruck, dass das recht stressig zuging in der Backstube, gibt es da mal Pausen?
Also, nicht so, dass es da feste Uhrzeiten gibt...das ist eher, also, da kanns schon mal sein, dass da zehn Minuten nichts zu tun ist, oder auch mal nicht, das kommt eben drauf an, das ist jeden Tag anders, das ist mehr....
...selbstorganisierend?
Berechnen kann man das nicht, das hängt mit allem möglichem zusammen, also, der Teig, bis der fertig ist, das hängt davon ab, wie das Mehl ist, manchmal wird das feucht geerntet, dann verhält sich das anders als wenns trocken geerntet ist, oder wie das Klima ist, wenns heiß und feucht ist, wie jetzt, dann gibt das einen ganz anderen Teig als wenns trocken ist, und im Winter ist das nochmal anders als im Winter.
Also ergibt sich dieser Ablauf, oder die Zeiten, sozusagen organisch, so je nachdem?
Das ist wie...wenn ich ausliefere, dann fahre ich manchmal auch andere Strecke, weil, da ist die Ampel immer rot, da ist manchmal ein Stau, ich probiere immer mal andere Strecken aus, um zu sehen, was am besten funktioniert, damit lässt sich das vergleichen. Und die Leute, die da backen, die wollen ja auch nach Hause. Die versuchen das dann so schnell wie möglich zu machen, so, dass das am besten ineinandergreift. Die wissen auch voneinander, was sie gerade machen, wie weit der andere ist, die stimmen sich aufeinander ab, also, da müssen die auch gar nicht drüber reden, da weiß eben der eine, was der andere tut, weil ja auch mal jeder alles machen muss, das greift dann irgendwann ganz automatisch ineinander. Die kennen sich teilweise auch schon lange, die arbeiten Jahre zusammen, oder waren vorher schon Bäcker.
Vielleicht noch mal kurz zurück zur Familientradition. Ihr Großvater hat die Bäckerei ja, wann, 1913 gegründet, und dann haben Sie übernommen?
Nein, das war so, dass mein Großvater eine Bäckerei gekauft hat, nach seiner Lehrzeit, und dann hat er die meinem Vater übergeben, der ist 1976 gestorben, und meine Mutter hat das dann weitergeführt, und dann habe ich die übernommen.
Würden Sie sagen, dass sie eine Familientradition hochhalten?
Ich wollte ja eigentlich kein Bäcker werden. Und ich habe meinen Söhnen auch gesagt: Überlegt euch das, ob ihr das wollt, die Bäckerei übernehmen. Die wollten nicht, aber meine zweite Frau, die hat eine Tochter, die hat jetzt eine Ausbildung gemacht, zur Bäckereifachverkäuferin, und die hat sich einen Bäcker geangelt, also, vielleicht wird das jetzt was.
Was ist denn ein gutes Brötchen?
Da könnten Sie jetzt fünf Kunden fragen, die hier reinkommen, und Sie bekämen fünf Meinungen, das ist so, das wenn mir der eine Kunde ein Brötchen um die Ohren haut, und sagt, was hast du denn da wieder für einen Mist zusammengebacken, und der nächste kommt an und lobt mir das in den höchsten Tönen, das ist ganz unterschiedlich, das hängt ja auch von der Vorstellung ab, die der Kunde vom Brötchen hat.
Und was glauben Sie?
Also, das muss außen goldgelb sein, und ein bisschen glänzen, dann brauchts eine dünne Kruste, und innen muss das eine leichte Körnung haben, also, nicht zuviel, so kompakt darf das auch nicht sein.
Wenn man jetzt aber nach Ostdeutschland geht, dann bekommt man da manchmal Brötchen, die sind ganz anders, die sind so kompakt, dann sagen die Leute da, Das sind echte Ostbrötchen. Vielleicht haben Sie das ja schon gemerkt, Sie beobachten ja wahrscheinlich Brötchen an anderen Orten professionell, wenn Sie mal da sind.
Ja, natürlich, überall wo ich bin, da kucke ich mir das Brot, und die Brötchen an. Das ist natürlich auch so: So ein Brötchen, das schmeckt ja auch nach Kindheit, nach früher. Ich sag immer, die Prügel, die hat man vergessen, das Kirschenklauen nicht. Und wenn man das dann gewöhnt ist, dann möchte man so was auch haben, wenn ich hier solche Brötchen backen würde, dann würden die Kunden sagne, was sind denn das für Steine, und die würden die mir dann um die Ohren hauen. Aber das liegt natürlich auch an technischen Sachen, wenn die ein anderes Mehl haben, oder andere Öfen, in denen der Teig nicht richtig aufgeht, dann bekommen Sie solche Klumpen, das ist aber alles Gewöhnungssache, oder Vorstellungssache. Die Kunden kommen hier wirklich mit allen möglichen Vorstellungen rein. Die sagen dann auch immer: Warum backst du denn nicht wie früher? Und ich sage dann, gebt mir das Mehl von früher, und ich mache das.
Und was ist mit, also, das interessiert mich tatsächlich persönlich, warum bekommt man in Deutschland keine vernünftigen Croissants?
Also, erstmal schmeckt das ja sowieso nicht wie in Frankreich, wenn man nicht da ist, und außerdem haben die da ein ganz anderes Mehl als hier.
Ich mit meiner naiven Vorstellung dachte immer, es gibt weißes Mehl, und Vollkornmehl, und das wars dann.
Neinnein, das fängt ja schon damit an, wie das geerntet wird, wenn das beim Ernten noch nass ist, dann sind da mehr Malze drin, und wenn das Trocken ist, dann müssen beim Backen noch Malze zugesetzt werden, und dann gibt’s da auch ganz unterschiedliche Verarbeitung, wie das gemahlen wird, bei den großen Mengen, die man heutzutage machen muss, da fällt die Qualität auch manchmal..unter den Tisch, dann muss das noch stabilisiert werden, und dann ändert sich das ja auch je nach Klima, so Mehl verhält sich ganz anders, wenn es draußen feucht ist, oder trocken, im Winter, im Sommer...dann ist die Verarbeitung je nach Land auch anders, eine ganz andere Tradition.
Dann sind die Brote jeden Tag anders?
Wenn Sie jetzt fünf Bäckern dieselben Zutaten abwiegen, dann macht jeder ein ganz anderes Brot draus, das hängt auch davon ab, wie das geknetet wird, mit warmen Fingern, mit kalten Fingern, auf einer Holzplatte, oder einer Metallplatte, was für ein Ofen da benutzt wird, das die für eine Vorstellung haben, wie das Brot sein soll...da gibt es unendlich viele Faktoren.
Würde ich das schmecken können, ob ein Brot mit kalten oder warmen Händen gebacken ist?
Schmecken vielleicht nicht, aber sehen können Sie das, an der Farbe, also, wie braun das ist, ob das glänzt, woe das glänzt oder daran, wie die Kruste aussieht, oder wie das bröckelt, an der Körnung, also, schmecken könnten Sies vielleicht auch.
Und Sie hängen da sozusagen zwischen dem fest, was die Kunden wollen, und den Rochstoffen, die geliefert werden, oder die Sie bekommen können?
Ja, so kann man das sagen.
Betreiben Sie denn auch, ich nenne das mal, Trendbeobachtung, also schauen, was der Markt gerade verlangt? Im Moment sind ja zum Beispiel Bioprodukte gefragt...
Da war ich damals tatsächlich meiner Zeit voraus. Also, ich war ja auf einer Waldorfschule, da ist man dann....offener für so was. Und da habe ich dann, also, früher gabs ja nur Weißbrot, Schwarzbrot, Graubrot. Ende 70er war das. Dann kamen irgendwann Sonnenblumenkerne, und ich hab gesagt, ich besorg mir mal Sonnenblumenkerne, das war ganz schön aufwändig damals, das gabs ja noch nicht, also, so Leinsamen, das ging, aber Sonneblumenkerne...als ich dann endlich welche gefunden hatte, da wollten die mir gleich ne ganze Tonne schicken, da hab ich gesagt, ich brauch nur ein paar, nur mal ausprobieren. Dann hatte ich dieses Bio-Segment, das haben die Leute dann auch gekauft, so ein kleiner Kundenstamm, aber jetzt, das lohnt sich nicht mehr, das muss sich ja auch rentieren, und jetzt gibt's diese Zertifizierung, das lohnt sich nicht mehr, auch wenn da ein paar Kunden immer wieder nachfragen.
Zertifierung? Da schickt man das Brot an eine Prüfstelle, oder wie kann ich mir das vorstellen?
Nene, geprüft wird das sowieso regelmäßig, nee, die Biozertifizierung, geht so, dass man da alles, was verbackt wird dokumentieren muss, also, dann müsste da bei jedem Sack Mehl jemand dabeistehen und sich die Nummer aufschreiben, also, wo das herkommt, da muss dann jeder Schritt genau dokumentiert werden, in welchem Brot welches Mehl von woher verbackt wird, da müsste da den ganzen Tag einer mit nem Notizblock rumlaufen, bei so einem kleinen Betrieb, da geht das nicht.
Was ist denn mit Franzbrötchen? Die gabs ja eigenltich mal nur in Hamburg, und die tauchen im Moment überall auf, bei Engelke zum Beispiel...
Franzbrötchen? Was ist das?
Das sind so süße Teilchen, ich weiß gar nicht, was für ein Teig, so eine Mischung aus Hefe-und Blätterteig, glaube ich, mit Zimt drauf, und extrem klebrig. In Hamburg sagt man, die sind gut, wenn man sie an die Wand werfen kann und die bleiben kleben.
Nee, die kenne ich nicht, aber wir haben ja zum Beispiel Gersterbrot, das gibt's nur hier in Norddeutschland, als, so Göttingen, da hört das auf, Minden, Richtung Osten weiß ich gar nicht, an der Küste gibt's das auch nicht. Eine Zeitlang war das so, da breitete sich das so ein bisschen aus, da kam einer von irgendwo von der Küste und wollte sich das beibringen lassen, aber das hat sich nicht so lange gehalten, das ist regional geblieben, es kommen immer mal wieder Leute, die weggezogen sind, und die kaufen sich dann zehn Stück, oder lassen sich welche schicken. Ich hab auch mal mit einem Bäcker gesprochen, der hat gesagt, ihr schafft doch keinen anständigen Fränkischen Laib, und da hab ich gesagt, na und, und ihr könnt kein Gersterbrot. (lacht)
Experimentieren Sie denn auch manchmal so ein bisschen rum, also damit, wie was gebacken wird, oder mit dem Sortiment?
Nee, also, beim Backen dann manchmal, wenns ne neue Mehlsorte gibt, oder wenn man mal was in Fachzeitschriften liest. Aber so neue Produkte, also, manchmal schon, da bleibt dann auch mal was hängen, aber das Problem ist eher, dass wir zuviel im Angebot haben, da werden dann von jedem Teil zwei, drei Stücke gekauft, und den Rest werfen wir weg. Wir müssen das eher reduzieren, als da wirklich neue Sachen zu machen. Was wir gemacht haben, das waren mal so Riesenwindbeutel.
Riesenwindbeutel?
Ja, das ist so traditonell in einer bestimmten Region vom Harz, und diese Windbeutel, die kann man wirklich nur nach Altvätersitte machen, da sind wir zu gekommen wie das Kind zum Bade. Die waren auch im Fernsehen, weil keine andere Bäckerei das machen wollte.
Nach Altvätersitte? Was heißt das?
Das kann man nicht einfach so machen – da müssten Eier druntergeschlagen werden, Mehl, der Teig, das wird alles von Hand in einem Topf gemacht, der Teig muss gehen, das lässt sich auch nicht mit Automaten rühren, und dann muss man da beim Backen aufpassen, das das was wird.
Wenn Sie das jetzt so sagen – da fallen mir diese Billigbackmärkte ein, die gibt's ja jetzt auch überall. Wie stehen Sie denn dazu?
Nee, da gehe ich nicht rein. (lacht) Nein, die haben natürlich den Vorteil, dass die in großen Mengen produzieren können, und haben dann natürlich schon ein paar sensationell billige Angebote, aber wenn Sie da ein Teilchen kaufen, dann sind die auch nicht viel teurer als hier. Ich sag immer, das ist eine eine Qualitätsfrage – aber die Energiepreise, die kommen uns im Moment entgegen. Die bekommen ja nur Brötchen, die die dann fertig backen müssen, die werden woanders angebacken, dann gefrostet, dann kommen die auf einen Laster, dann werden die nochmal gefrostet, dann müssen die aufgebacken werden, also, einfach nur noch braun gebacken werden. Das kostet natürlich alles, und wir haben den Vorteil, dass wir das frisch machen können, also, insofern klappt die Schere da nicht so weit auseinander. Ich sag mal, das muss man eben mögen, für mich wäre das nichts. (Eine Verkäuferin erinnert ihn an einen Termin) oh, ja, ich muss dann los. Bin mal gespannt was draus wird.
Ich auch.
Was für Handwerker haben Sie denn schon?
Ein Geigenbauer ist dabei, ein Goldschmied, sonst...ein Steinmetz, glaube ich.
Das geht ja schon alles mehr so in den kreativen Bereich, oder?
Also, der Goldschmied beispielsweise, der hatte da eine ganz entschiedene Meinung zu, dem war das suspekt, dass der auch Künstler ist. Der sagt klar, er ist ein Handwerker. Natürlich ist das seine Meinung...
Eigentlich lappt das schon in den künstlerischen Bereich, also, jetzt hier, beim Backen auch manchmal, ich zeig Ihnen mal was. (Ruft einer Verkäuferin zu: Gibt’s du mir mal das Tortenbuch? (Pause) Also hier, das ist mein Tortenbuch, sehen Sie, hier haben was für einen Jäger gemacht, da sind auch ganz witzige Details, wenn man hier kuckt, der Hase hat eine weiße Fahne in der Hand...(blättert) und hier, da haben wollte ein Kunde eine Torte mit Marilyn Monroe drauf, da haben wir Esspapier, also, Oblaten bedruckt. Und hier, sehen Sie, da haben wir so Wölkchen gemacht, und die Beine von der Frau, das ist Marzipan, und dahinter so Backfarbe...
Da ist ja richtig perspektivisch...
Ja, da kommen dann immer dieser Kunden und wollen wasweißich haben, und dann müssen Sie halt sehen, wie machen wir das? Da muss man sich schon auch kreative Lösungen einfallen lassen, da überlegen wir dann: Mit was für einem Material, also, wie kann man das realisieren, was die Kunden wollen, was wir wollen?
Das sieht auch alles ganz schön... zerbrechlich aus. Wenn man da mal einen Fehler macht, dann kann man das wegwerfen, oder?
Ja, das ist schon so, das ist das Risiko, da muss man vorsichtig arbeiten.
Und das da? Ist das das ein Schloss?
Ja, das haben wir auch gebacken, das ist jetzt ein Hotel drin, damals, zu Eröffnung. Da war auch das Fernsehen da, da husche ich irgendwo im Hintergrund rum.
Das ist ja riesig.
Zur Eröffnung, da dachten wir, machen wir mal was, also das das hätten die ja eigentlich abreißen müssen, also, die alte Bausubstanz nehmen, und damit was neues bauen. Das war ja mal das Landeskrankenhaus, also, die Gummizellen, und dann hat wurde das dem Land geschenkt, und drei Tage später haben die das unter Denkmalschutz gestellt, und dann haben dies halt vermodern lassen. Also, nicht so sehr, das ist ja solide Bausubstanz. Aber wenn Sie da mal hinten in die Küche kommen, dann ist alles eng, da kann man gar nicht richtig arbeiten.
Da sind ja richtig kleine Fenster drangemalt....Was ist das, Lebensmittelfarbe?
Ja, da haben wir so Tortenkecks genommen, und da Oblaten drangeklebt, und die dann bemalt. Da in ich extra los und hab das von jeder Seite fotografiert, damit das auch echt aussieht.
Wie lange haben Sie da daran gearbeitet?
Ach, so mit drei, vier Mann waren das vier Tage. (blättert weiter)
Ah ja, da kommen ja die Hochzeitstorten mit den Männchen obendrauf, da habe ich schon drauf gewartet.
Da kommen die Leute immer, und die wollen alle eine Sahnetorte, da muss ich dann immer erst mal sagen, das geht nicht, mit den ganzen Stockwerken.
Weil die das im Fernsehen sehen....
Da muss man dann sagen, also, das kann man mit Marzipan machen, oder mit Teig, aber als Sahnetorte klappt das nicht.
Was war denn eigentlich ihr Meisterstück?
Das war so ein Pastetenhaus, da hatte ich so eine Mischung aus Hefeteig und Blätterteig gezogen, also, ich hatte ja vorher schon Konditor gelernt, da dachte ich, ich schraub mal ein bisschen zurück, und das hat man damals richtig gesehen, wer schon Konditor gerlernt hatte. Ich hatte dann so Pastetenflächen gemacht, also, man muss bei der Prüfung immer bestimmte Rezepte machen, und der Prüfer hat dann gesagt, das mit deinem Brot, das ist schon in Ordnung, aber die eins, die kriegst du für deine Pastetenflächen. Ich bin immer für so einfach Sachen, klare Linien, nicht so verspielt. Wenn einer einen tollen Zwieback macht, und den dann fallen lässt, dann hat man so tausend Zwiebackteile, auch toll, einfach muss das sein. Heutzutage die Lehrlinge, das ist ja, also, die müssen lernen, was wir damals in der Meisterprüfung lernen mussten, so mal eben einen Betrieb komplett kalkulieren, ich sag immer, so ein Hauptschüler, der kann das gar nicht. Wenn die Berufsschullehrer hierher kommen, dann sag ich denen immer, die sollen denen erst mal das Einmaleins beibringen, und die sollen erstmal Dreisatz lernen, das braucht man für die Rezepte. Oder in so einen Ofen, da gibt's drei Schienen, und da passen jeweils fünf Brote drauf, also 15 Brote in einem Ofen, zehn sind auch ok, und da müssen die erst mal wissen, wie verteile ich die jetzt? Und dann backt ja der Ofen auf der einen Seite auch schärfer, das muss man richtig verteilen. Ich war ja auch einer Waldorfschule, da lernt man nicht nur so (macht Scheuklappengeste) denken, sondern auch mal ein bisschen weiter. Und jetzt lernen die alles, das ist ja ein gesamtgesellschaftliches Problem, das alles, was man lernt, das soll ja auch in einem Atomkraftwerk anwendbar sein. Das ist ja auch ok, wenn die mal vorne in den Laden kommen sollen und das Zeug verkaufen, was die so zurecht backen, aber bei manchen, wenn die hier vorne im Laden stünden, ich sach mal, der Kunde wäre ja schon schweißgebadet, und der hätte noch nicht mal mit denen gesprochen. Ich finde ja, man sollte denen dreimal was erklären, und wenns dann nicht klappt, zack, in den Nacken. Aber heutzutage sagt man ja, man muss auch auf die Stmmung der Lehrlinge eingehen, und alles. (lacht)
Ja, die Zeiten haben sich geändert...
Wissen Sie, was sie noch für Handwerker bräuchten? Einen Schlosser oder was. Oder einen Schmied.
Vor Schlossern habe ich ja immer ein bisschen Angst. Mir ist mal die Tür zugefallen, und der hat die innerhalb von dreißig Sekunden mit einem Draht aufgemacht...
Ich meinte ja nicht so einen Schlosser, mehr so einen der auch Türen macht, Wände...dann wird das alles nicht so künstlerisch, mehr handwerklich.
Die Grenzen verfließen da ja manchmal. Das kommt auch auch drauf an, wie die sich selbst sehen.
Also, wenn ich so manche Künstler sehe, wie die da ihre Sachen zusammenschweißen, dann würde ich auch eher sagen: Das ist Handwerk, mit Kunst hat das wenig zu tun.
Das ist beim Schreiben nicht anders, das sieht man nur nicht: Ich gehe ja jetzt auch nach Hause, und hab Rohmaterial, und das schleife ich, und schweiße das zusammen, und meist muss das auch liegen, das hat so seine Ruhezeiten...was ich hier jetzt auf meinem Gerät aufgenommen habe, das ist ja nicht das Interview.
Na, dann machen Sies mal gut, ich erinnere mich noch, Vox war mal hier, und die hatten ständig ihre Kamera da, und die hatten die immer auf micht gerichtet...
Ja, das ist schrecklich sowas, da fühlt man sich immer so...beobachtet
Und dann sagen die noch: Nicht in die Kamera kucken, aber man kuckt natürlich ständig in die Kamera, da hab ich dann auch aus Versehen Back-und Gärzeiten verwechselt. Das merkt niemand, nur ein Bäcker, und da hab ich das ohne Stottern gesagt, da haben dies genommen. Oder ich war auch mal im Radio, bei dieser Riesenwindbeutelgeschichte, da musste ich in einer Schüssel rumrühren, da hab ich gesagt, das klingt aber nicht gut, wenn da nichts drin ist, da haben wir Vanillesauce genommen, und auch noch ein paar Eier aufgeschlagen. Na gut.
Ein bisschen lügen darf man ja.
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